23 Jul Gjirocastra
Über gut ausgebaute Passstraßen geht es hart an der Grenze Griechenlands entlang ins breite Tal des Drino.
So viele Seiten und Blogs es im Netz über Butrint gibt, so wenig habe ich über Gjirocastra gefunden: Der Stadt der Steine, der Wiege Ismail Kadare’s, dem über die Grenzen Albaniens hinaus bekannten Nationaldichters, aber auch der Geburtstadt des Diktators, Enver Hoxha, an den allerdings bis auf das ethnologische Museum nichts mehr erinnert. Das Denkmal, erzählt man mir, sei bald nach seinem Tod geschliffen worden.
Wikipedia informiert nur wenig über diese kleine in den abschüssigen Berg sich hinein schmiegende Stadt, die von einem Burgfelsen gerahmt wird, das einem immensen submarinen Flaggschiff gleicht, und deren festungsgleichen Häuser mit Schießscharten nicht nur Zeugnis von der osmanischen Architektur ablegen, sondern auch an die Zeit erinnern, in welcher die Stammesfürsten der Clans und feudalen Landlords ihre Fehden austrugen.
Wie es im Inneren eines solchen Hauses ausgesehen hat, erfahren wir, nachdem uns ein Taxifahrer über das im 18. Jhdt. von den Osmanen angelegte Kopfsteinpflaster in die Altstadt an unser Ziel gebracht hat. Übrigens sind 80% des öffentlichen, aber auch privaten Fuhrparks aus Deutschland. albaner schwören auf Mercedes Benz. Die meisten davon werden ins Land geschmuggelt. So hat sich vermutlich die staatliche Verschrottungsprämie doppelt bezahlt gemacht. Ein Wagen aus den 90igern kostet 7000€.
Wir kommen aus dem Staunen über die kunstvolle Restaurierung des als Hotelzimmer angebotenen Zimmers nicht heraus. Fein gearbeitete Holzschnitzereien mit Vogel- und Tiermotiven zieren die Türen und Wände. Über uns eine von der Zeit wie mit dunklem Waldhonig gebeizte Kassettendecke, die mäandernd ein ornamentales Muster aufnimmt und in der Deckenbeleuchtung ihren krönenden Abschluss findet. Ein Zimmer wie aus 1000 und einer Nacht. Und das für 30 €.
Wir beschließen zwei Tage zu bleiben, um auf die Festung zu gehen und in den Straßen herumzustreifen. Es ist furchtbar heiß. Ein von einer mächtigen Linde beherrschter Platz aber bietet Schatten. Hier sitzen die Männer mit gewaltigen Schnurrbärten und funkelnden Augen, wie es sich in einer immer noch patriarchalisch dominierten Gesellschaft gehört, und werden von einer älteren Frau mit langen schwarzen Zöpfen bedient, lesen Zeitungen, trinken Cafe oder Raki und unterhalten sich. Zu bestimmten Zeiten treten hier die polyphonen Chöre auf, für die Gjirocastra berühmt ist.
Wir wollen das von einem ehemaligen Landlord erbaute und die für Gjirocastra so typische Architektur nicht nur von außen betrachten, nachdem unser Hotelzimmer uns schon einen Vorgeschmack geboten hat. Zwei ältere Damen übergeben uns die Schlüssel. Das einer Zwingburg gleiche Haus gehört uns. Unten gibt es keine Fenster. Es gibt keine Balkone.
Das Leben fand hier in den oberen Stockwerken statt. Wir finden dort der dicken Mauern wegen kühle Räume, die einer air-condiion nicht bedürfen, weiß getünchte Wände für das Gesinde und tanzsaalgroße Räume mit an Bauernmalerei erinnernden Holzvertäfelungen, die für die Gäste vorgesehen waren, eingerahmt von Matratzen, die zum Liegen einladen. Wie ältere Herrschaften vom sogenannten Türkensitz wieder hochkamen, würde ich gerne sehen.
Die Festung hat neben einer herrlichen Aussicht, martialisch aufgereihten Gefechtskanonen aus unterschiedlichsten Epochen, einem überlebensgroßen Standbild eines Soldaten noch das Wrack eines abgeschossenen amerikanischen Aufklärers zu bieten, dessen Pilot den Abschuss allerdings überlebt haben soll, was tröstlich zu wissen ist.
Jährlich finden hier die großen albanischen Folklorefestivals statt. Es könnte keinen schöneren Rahmen für solche Veranstaltungen geben.
Während ich nun müde vom Sightseeing geworden bin, erkundet meine Lebensgefährtin das in ein ethnologisches Museum umgewidmete Geburtshaus Enver Hoxha’s. Sie fragt nach dem Weg und den Öffnungszeiten und schon findet sie sich in einem Auto wieder, das sie und andere zum Museum bringt, wo die gestaltenden Architekten selbst Rede und Antwort stehen.
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