Highland Park

Jetzt bin ich in Lubbock (sprich Labek), Hub City mit Spitznamen, das, wie ich aus Wikipedia erfahre, nach dem Motto „the giant sides of Texas“ oder kürzer: „Think big“ lebt und – jetzt aus einer Quelle vor Ort, die Horst heißt, ein selfmade- oder business man, der wie andere Goldschürfer aus leicht nachvollziehbaren  Gründen in den sunbelt übersiedelt ist: Wenig staatliche Einmischung, kaum Umweltauflagen, Steuerbegünstigungen, eine Wohlfahrtshilfe, die unter der Armutsgrenze liegt – und last, but not least – billige Arbeitskräfte, die ihre Rechte auf Grund zahnloser Gewerkschaften kaum einklagen können.  Ideale Bedingungen somit, Geschäfte im großen Stil durchzuführen  für hemdsärmelige Unternehmer wieHorst, einem gebürtigen Kärntner, der 29 Jahre in LA lebend eben eine Cateringfirma für Hollywoodfilmproduktionen abgestoßen und sich kürzlich hier niedergelassen hat, um sich als Immobilienbroker zu versuchen. Ihm gehört das Highland Park, ein Apartmentsilo mit 50 Wohneinheiten für „low class people“, wie er sagt, vornehmlich Afroamerikaner und Hispanics, die  – gleichgültig, woher sie kommen – als Mexikaner gelten und hier in der zweiten Generation leben. Seiner Ansicht nach bestätigen sie unermüdlich alle die Vorurteile, die er mit ihnen verknüpft: arbeitsfaul, drogensüchtig, kriminell. Horst ist der Arbeitgeber meines Freundes, der nach Amerika ausgewandert ist, für ihn den Laden schupft und die Apartments so adaptieren soll, dass er die ganze Anlage nachher mit Gewinn wieder verkaufen kann.

In einem dieser Apartments, die noch Substandard aufweisen, bin ich für die Zeit meines Aufenthaltes untergebracht. Gestern haben wir für 10 Dollar einen Tisch erstanden. Ich habe auch einen Stuhl und ein elektrisch aufpumpbares Bett, aus dem leider die Luft entweicht. Auf der Decke hängt ein Propeller, der ein Geräusch von sich gibt, das mich an einen Zug erinnert, der unermüdlich und mit high speed über imaginäre Gleise rattert. Daran könnte ich mich gewöhnen, nicht aber an den Höllenlärm, welche die vorbeifahrenden Autos erzeugen, die auf sechs Spuren an meinem Fenster vorbei rasen.

Das Highland Park, angelegt wie ein Motel oder eine Basena, wie man in Wien sagen würde, hat einen Innenhof mit einem Affenbrotbaum, der gerade seine Samenschoten abgeworfen hat, denn auch hier ist Herbst, was man der Temperaturen wegen nicht glauben würde. Da ich niemanden beleidigen will, behalte ich für mich, dass mich die Architektur eher an ein Gefängnis denken lässt, wie ich es aus amerikanischen Filmen kenne. Es fehlen lediglich die Wachtürme. Ich übertreibe. Ich weiß. Da bin ich nun und halte Augen und Ohren offen, um den american way of life vor Ort kennen zu lernen, und glaubt es mir oder auch nicht, ich hätte mir für meine Recherchen keinen günstigeren Ort wählen können.

Heute habe ich mit Juan zusammen gearbeitet, und – während er den Laminatboden verlegt hat, Decken und Wände gestrichen, damit mir in meiner Bude nicht die Decke samt Ventilator auf den Kopf fällt. Ohne Auto nämlich ist hier an ein Fortkommen nicht zu denken.  Der Highland Park ist ein Mikrokosmos, in welchem sich auch die Bevölkerungsanteile ganz Amerikas spiegeln.  So ergeben sich viele Möglichkeiten die Bewohner verschiedenster Herkunft und Hautfarbe zu interviewen und ihr daily life kennen zu lernen.  Das am besten bei der Arbeit. Während ich also den Pinsel schwinge und Juan im Nebenraum die Laminatdielen zusägt, um den Boden zu verlegen, habe ich genügend Gelegenheit, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Meine Spanischkenntnisse ließen schnell das Eis brechen. Er hat muskulöse Oberarme, die er sich im Knast tätowieren hat lassen, erzählt er mir freimütig. Seine Eltern starben, als er 8 Jahre war. “ Dann habe ich mich“, wie er nicht ohne Stolz fortfährt – „als halbwüchsiges Mitglied von Streetgangs –  selbst groß gezogen, mit 16 einen Mord verübt und 20 Jahre abgesessen.“ Seither verdingt er sich als Pflasterer und Bodenleger. Sein Lebenstraum ist  Amsterdam. Einmal in meinem Leben in Amsterdam sein. Polizisten soll es dort geben, die keine Kanonen in der Hüfte tragen und jeder dort raucht öffentlich Pot. Ob Austria mit Australien eine Grenze habe, fragt er mich. Ich frage ihn, ob er glaube, dass es stimmt, dass in Amerika jeder seine Träume erfüllen kann, wenn er nur hart genug arbeite. „You need to have  money to get money. Wer kein Geld hat, ist chancenlos“, so seine Sicht auf das persuit of happiness. „Vom Tellerwäscher zum Millionär? Ein Märchen. Zu schön, um wahr zu sein.“ Obama ist ihm suspekt. Der möchte seines Erachtens nach nur in die Geschichtsbücher eingehen.

Da geht er mit Horst konform. Er nimmt mich mit seinem Porsche downtown mit, wo immer das sein mag, denn es gibt nichts, was man für ein Zentrum halten könnte. Auf Obama angesprochen, geht er heißer als der Motor seines Carrera 2: „Obama führt das Land in den Ruin. Er hätte Rechtsanwalt für die Schwarzen bleiben sollen. Er hat vom Regieren keine Ahnung. You must run the state like a company. Obama ist kein businessman, er  ist ein muslimischer Sozialist. Der schlechteste Präsident Amerikas aller Zeiten. Das kannst du ruhig aufnehmen“, sagt er, „das sage ich jedem, der es hören will, und du wirst sehen, bei den nächsten poll-outs im Herbst ist er nur noch eine lame duck, eine lahme Ente ohne real power.“ Da er sich in Rage redet und kaum mehr auf den Verkehr achtet, frage ich ihn, ob er das vor der Kamera wiederholen könne. Er beruhigt sich. Morgen ist er auf dem Weg nach Europa, dem alten Kontinent, der ihm fremd geworden ist und übrigens auch nur von Sozialisten und Kommunisten regiert wird. Wir fahren an der Texas Tech University vorbei. Studenten, die eben aus ihren Ferien zurück gekommen sind, veranstalten einen Umzug mit Pauken und Trompeten. Horst lässt sich nicht beirren und meint gegen den Lärm ankämpfend: “ Sarah Palin, (die die ultrakonservative Teapartybewegung anführt, eine Bewegung, der sich nach letzten Umfragen 18 % aller Amerikaner zugehörig fühlen), ist für mich die richtige Wahl. Für mich war Reagan der beste aller amerikanischen Präsidenten. Ihn und seine Frau habe ich kennen gelernt. Äußerst sympathische Leute. Haider, ja, der hätte Österreich auch auf den richtigen Weg gebracht.“

Es ist mein zweiter Tag in Texas-US und ich will mir kein Urteil erlauben. Eins aber scheint festzustehen. Obama hat das Land gespalten. Doch genug davon. Ich bin müde vom Zuhören und geschlaucht von der Überkopfarbeit beim Ausmalen der Decke. Jetzt pumpe ich meine Matratze auf und lege mich aufs Ohr. Morgen mehr. Howdy.

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