Drehbuchtraum

traumDas Flüstern von Schneeflocken. Was für ein Bild; aber es ist kein Bild. Bilder flüstern nicht. Und trotzdem. Es wird an ihm festgehalten. Es muss an ihm festgehalten werden. Es ist das einzige, was Halt verspricht. Was flüstern sie? Dem Vernehmen nach sagt eine – kaum hörbar: He, du! Ich kann keine Schneeflocke sein, denn es ist Sommer. Dann Stille. Und was für eine. Totenstille. Bis auf ein Kichern. Ein Kind im Lichthof. Es ruft: „Ane“. Immer wieder: „Ane“. In den Pausen schlägt ein Hund an. „Aneee!“ Es weint, dann wimmert es.  Eine Glocke, deren Oberton nachschwingt, will erinnern und hat vergessen, woran. Dann ist es wieder still. Sie hält die Augen geschlossen. Die Schneeflocken sind Daunen jetzt, lebendgerupft aus dem roten Kissen ihrer schlaflosen Nacht. Dann ein Teppich blutroter Rosenblätter auf frisch gefallenem Schnee. Und wieder ist Frühling. Wasser kommt aus den Bergen und schiebt die Steine vor sich her. Aufwachen. Träumen. Aufwachen:  Wie jemand, der von weither kommt und jetzt an die Tür klopft. Die Schuhe voll Sand, nein Schnee, der unter ihnen getaut war, jetzt Erde, noch feucht. Er streift sie nicht ab, er hängt keinen Mantel auf den Haken. Er zeigt ihr das Haus, in dem er sich verloren hatte damals, in jener Nacht, als die Tochter auf die Welt gekommen war, und er aus dem Zimmer stürmte, als müsse er in den Krieg. Er erzählt, und sie träumt, wie er geschuftet hat unter Tag, und im Schein einer Stirnlampe Bilder auf Felsen malte; und die Jahre davor, als er Erntehelfer war, der Träume von Bäumen pflückte; und noch früher ein Hirte, der sich eine Flöte aus seiner Sehnsucht geschnitzt hat. Jetzt sitzt er auf der Stiege, umarmt mit seinen Händen sich selbst, wiegt mit dem Oberkörper vor und zurück, versucht sich in den Schlaf zu singen und wartet, und weiß nicht mehr worauf, während sie auf die Uhr schaut, deren Zeiger aufgehört haben vorzurücken. Die Uhr sagt ihr, wie spät es war, als sie kaputt ging; aber eine Uhr ist nicht gleich Zeit. Nur als Geschichte kann sie erzählt werden. Immer nur als Geschichte. Erfunden? Jede ein Film aus dem Drehbuch mit Titel: Wie das Leben so spielt. Seite 11, außen, Nacht; Ane, die dritte; Klappe auf! „Nimm ein Taschentuch!“, sagt die Mutter. „Wein dich aus! Nein: Lach! Ich bin dein Film…“

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1 Comment
  • ralphbuttler
    Posted at 11:09h, 19 Juni Antworten

    Hat dies auf Blütensthaub rebloggt und kommentierte:
    Träume immer und jederzeit …

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