23 Mai Zurück in die Zukunft
„Heute vor vielen Jahren muss ich an einem Morgen aufgestanden sein, ohne mich zu fragen, wie das sein wird, an einem anderen Morgen Jahre später aufzuwachen, und sich noch im Aufwachen zu fragen, wie ich die mir gestundete Zeit verbringen soll. Keinen Gedanken habe ich darauf verschwendet, mir auszumalen, wie es sein wird oder sein könnte zehn oder zwanzig oder dreißig Jahre später. Das war weit weg. Weit weg. Weiter geht nicht. Ich habe in den Tag hineingelebt, wie es alle tun. Aufstehen, in die Arbeit gehen, heimkommen, heiraten, sich trennen, Rechnungen begleichen, hypnotisiert ins TV glotzen und bald darauf auf Monitore, die immer kleiner werden; Monitore, die immer mehr zu Brillen werden, mit denen wir müde Blicke auf eine Wirklichkeit werfen, die mit unseren Albträumen wetteifert, mit ihr gleichgestellt zu sein.
Bleiben wir bei diesem Morgen eines Tages am anderen Ende der Zeit, als er aufsteht und sich weder fragt, was er hätte anders machen können, und noch viel weniger, warum er es nicht getan hat, und diesen von ihm angekündigten Weg nicht gegangen ist. Vielleicht weißt du die Antwort?
Ist ein Reisen zwischen dem Jetzt, dem eine Zukunft versprochen ist, die anders sein wird als die Gegenwart, und dem Augenblick damals, als dein Selbst sich noch nicht verloren hat: Ist solch ein Reisen möglich? Anders gefragt: Kannst du dir eine andere Vergangenheit denken, um nicht in der Gegenwart aufzuwachen, in welcher du dich jetzt in diesem Augenblick befindest? Einer Gegenwart, die sich im Rückblick als das Momentum herausstellt, in welchem du hättest entscheiden können, ein anderes Leben zu führen? Ein gelungeneres Leben. Eins, das am Ende, wenn Bilanz gezogen wird, wenigstens von denen, die sich ab und zu und immer seltener an dich erinnern werden, als ein Gelungenes gesehen wird?
Nein und noch einmal NEIN! Du musst es dir selbst schulden. Das ist die Antwort. Das ist der einzige Weg. Den musst du gehen.
Beginnen wir bei einer Vergangenheit, deren Erinnerung dich glücklich macht“
Meine Kaufentscheidung bei Büchern habe ich oft vom Inhalt der Klappentexte abhängig gemacht, oder, wenn die Bücher noch nicht foliert waren, von den ersten Sätzen. Diese Sätze in einem Buch, das im Selbstverlag und ganz ohne ISDN erschienen ist, haben mich sofort in Bann geschlagen. Manchmal führt der Zufall mich an Orte, die zu betreten oder mich in ihnen aufzuhalten, ich eigentlich keine Absicht hatte. So auch heute Morgen. Es war das erste Mal, dass ich nicht die U-Bahn nahm. Ich hatte Zeit und ging zu Fuß. Obwohl ich den Weg zur Arbeit schon oft zu Fuß zurückgelegt hatte, war mir die Brücke nie aufgefallen. Sie führte über Geleise, die an ihrem Ende in einen Kopfbahnhof mündeten. Der Bahnhof war menschenleer. Das einzige Geschäft, das um diese Zeit offen hatte, war ein Buchladen. Vor ihm eine Wühlkiste. Ich griff hinein, nahm ein Buch und las den Klappentext:
„Heute vor vielen Jahren muss ich an einem Morgen aufgestanden sein, ohne mich zu fragen, wie das sein wird, an einem anderen Morgen – Jahre später aufzuwachen, …“
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Simone Hammer
Posted at 12:04h, 21 AugustSuper Klappentext und Gedanken in denen ich mich wiederfinde. Würde ich kaufen.
Helmut Hostnig
Posted at 12:36h, 21 AugustHi Simone. Danke für deinen Kommentar.