Papa, Milo hat gesagt…

„Papa, Charly hat gesagt…“  war mit über 600 Folgen einmal eine der erfolgreichsten deutschen Hörspiele. Neben anderen war übrigens mein Vater, Heinz Hostnig, Regisseur dieser Hörspielserie. Er hat mich damals gefragt, ob ich nicht eine Folge schreiben will. Ich war 20. Ich war überfordert. Heute würde ich ihm diesen Text schicken:

Papi, ist man noch gut, wenn man weiß, dass man Gutes tut?

Was du nur für Fragen stellst. Aber gut, ich will versuchen, darauf eine Antwort zu finden. Wenn du zB. deinem Freund, – wie heißt er noch mal? –

Abdul

Ja. Abdul. Der ist doch Türke oder nicht?

Nein, er ist Österreicher.

Aber das ist doch ein türkischer Name, oder?

Nein: Ein arabischer. Aber er ist hier geboren und hat die österreichische Staatsbürgerschaft.

Woher weißt du das?

Ich weiß es einfach. Aber du wolltest mir doch …

Ja, ich weiß. Sei nicht so ungeduldig. Wenn du zB. deinem Abdul, der einen arabischen Namen hat und ein Österreicher sein will…

Er will keiner sein, er ist einer.

Gut, wenn du also deinem Abdul in der Schule hilfst, weil er schlecht in Deutsch ist…

Aber Papi, der Abdul hilft mir. Die Lehrerin sagt immer: Nehmt euch ein Beispiel an Abdul.

Ist er islamisch?

Was hat das damit zu tun?

Wenn er islamisch ist und Abdul heißt, kann er nur auf dem Papier ein Österreicher sein.

Was heißt das: Auf dem Papier? Warum das, Papi?

Genaugenommen ist er ein Araber mit österreichischer Staatsbürgerschaft, ein arabischstämmiger Österreicher also, ein österreichischer Araber mit Migrationshintergrund. Da muss man differenzieren.

Was ist das: differenzieren?

Differenzieren heißt einen Unterschied machen.

Für mich aber macht das keinen Unterschied, ob er ein Araber oder Österreicher oder ein arabischer Österreicher oder einer mit einem Hintergrund oder das alles nur auf dem Papier ist. Warum hackst du dauernd auf ihm herum?

Ich hacke auf niemandem herum!

Er ist mein Freund, und der Onkel Milo hat gesagt, dass ich auch einen Hintergrund habe, weil der Opa ein Jugo ist.

Das ist der Vater von deiner Mutter, und Jugo sagt man nicht.

Und meine Oma, deine Mama, war aus Böhmen.

Ja, das ist alles schon soooo lange her.

Aber sie war auch einmal ein Flüchtling.

Von wem hast du das?

Vom Onkel Milo.

Vom Milo also. Solche Sachen redet ihr?

Ja, er hat auch gesagt, dass man nicht fragt, ob man gut ist, wenn man Gutes tut. Man tut es einfach.

So, hat das der Onkel gesagt. Und du glaubst ihm?

Warum soll ich Onkel Milo nicht glauben?

Weil er viel redet, wenn der Tag lang ist.

Das tust du doch auch, Papa!!

Das verbitte ich mir, dass du mich mit deinem Onkel vergleichst.

Mein Onkel ist dein Bruder, oder Papa?

Musst du immer das letzte Wort haben? Was fragst mich denn noch, wenn der Milo eh alles besser weiß?

Bist du jetzt beleidigt, Papa?

Lass mich mit deinem Onkel in Ruhe. Hast du mich verstanden? (geht ab)

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4 Comments
  • Manfred Voita
    Posted at 11:51h, 06 Januar Antworten

    Ich habe die Reihe damals oft gehört. Es waren viele kluge Texte darunter. Deiner passt gut in unsere Zeit.

    • Helmut Hostnig
      Posted at 19:14h, 06 Januar Antworten

      Ich danke dir lieber Manfred. Ja, ich habe übrigens alle Sendungen auf CD.

  • christian
    Posted at 08:57h, 18 Dezember Antworten

    Sehr schöne geschichte. Macht das wachwerden schöner.

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