05 Jan Digital Detox
Auf der Suche nach einer webbasierten Information, die es ihm erlauben würde, seine Credibility als Autor eines Weblogs unter Beweis zu stellen, geschieht es ihm immer öfter, dass er auf Seiten landet, die seine Aufmerksamkeit so einfordern, dass er über sie sein ursprüngliches Anliegen vergisst. So wird ihm das Zappen mit der Fernbedienung oder das Navigieren im Netz mithilfe von Suchbegriffen, mit denen er von einem Hyperlink zum andern und von einem Thema zum nächsten springt (– was er als Recherche verstanden wissen will, auch wenn er weiß, dass er sich was vormacht -) zunehmend zum Fluch, weil es entweder die Grenzen seiner Aufnahmekapazität sprengt, oder dazu führt, dass er am Ende seiner Netzaktivitäten nicht mehr weiß, was er ursprünglich gesucht hat. Die zeitsouveräne individuelle Programmgestaltung für Informationserwerb erfordert eine Disziplin, die nur erwirbt, wer Prioritäten setzen kann. Er besitzt diese Fähigkeit nicht.
Nachdem er Stunden damit zugebracht hat, den Nachrichtenstrom nach Wissens- und Lesenswertem zu filtern, fragt er sich, was er davon behalten hat. Es ist betrüblich wenig. Er weiß aber jetzt zum Beispiel, dass die Krakenweibchen die Krakenmännchen mit Muscheln, Schlick und Algen bewerfen, wenn sie sich mit ihnen paaren wollen.
Digital Detox – so heißt das jetzt, wenn man Auszeit aus der Onlinewelt nehmen will. Und?
Was und?
Ja, was tust du jetzt damit, nachdem du weißt, welch schönen Namen Netzabstinenz bekommen hat? Wartest du vielleicht darauf, dass Elon dir entgegenkommt und Twitter in den Konkurs führt? Hast dich doch von deiner Sucht nach Zigaretten auch befreien können. Da brauchst du doch Elon nicht dazu. Du musst dich doch weder von Einschalt- noch von Begleitmedien, weder live, digital oder analog, noch zeitsouverän informieren oder unterhalten lassen? Du könntest dich doch aus alledem heraushalten, wenn dich das überfordert.
Er winkt ab. Ein gutgemeinter Vorschlag, aber er hat alles schon versucht. Nur noch diesen Tweet, nur noch dieses Post, diesen Eintrag, dieses kleine Tictocvideo, diese WhatsApp Nachricht, die mit einem Klingelzeichen auf sich aufmerksam macht. Dann gehe ich offline, versprochen.
Das aber geht nicht, denn er liest gerade, dass Bienen Schwarzweiß sehen. Er fragt: Hat es nicht auch eine Zeit gegeben, in der das Fernsehen schwarzweiß war, und wir die Welt wie die Bienen wahrgenommen haben?
Nicht ganz, da wir keine Facettenaugen haben und nur 60 Bilder pro Sekunde verarbeiten können, während schnellfliegende Insekten mit ihren Ommatidien nicht nur über 300 Bilder pro Sekunde aufnehmen, sondern auch ein ungleich größeres Blickfeld haben, belehrt ihn ein Biologe der Uni Graz, dem er folgt. Und das in Echtzeit. Nein: Nur keine Facettenaugen, um noch mehr Datenflut verarbeiten zu müssen. Ich schaffe das, sagt er zu sich selbst, und meint es durchaus ernst. Ich werde jetzt den Computer herunterfahren, das Smartphone in den Flugmodus schalten und Urlaub nehmen: sowohl von digitaler, als auch analoger Infodialyse!
Vergiss das Kabel nicht?
Welches Kabel?
Na, das für dein Smartphone. Zum Aufladen. Kannst sonst keine Nachrichten mehr empfangen. Hahaha. LOL.
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