24 Juli Über die Berge zum Ohridsee
Früh am Morgen bringt uns ein Taxi zur Hauptstraße, wo der Bus schon auf uns wartet. Nie hätten wir gedacht, dass es von Gjirocastra so einfach sein würde, einen Bus bis nach Pogradec zu finden. Wir haben ihn fast für uns allein. Den Flusstälern folgend schlängelt er sich langsam die Passstraßen hinauf, von deren Höhen aus wir eine wunderbare Sicht auf die grünen Täler haben. Ein junger Mann nutzt eine Rast, mich zu fragen, wie mir Albanien gefalle. Die Standardfrage nach der sich Konversation meist erschöpft. Nicht mit ihm. Ich will etwas über die Hörgewohnheiten von albanischen Jugendlichen erfahren. Ich hätte keinen kompetenteren fragen können. Er packt seine Gitarre aus und fragt mich, was aus den Sixties bis Eighties ich hören will. Er kennt beinahe alle Texte auswendig, aber ist vor allem der albanischen Folklore verpflichtet. Er kommt gerade von Auftritten zwischen Durres und Vlore und will einmal im eigenen Land so berühmt sein, dass er auch Amerika bereisen kann. So wird die lange Fahrt sehr kurzweilig. In einem staubigen Ort steigt er aus, schultert die Gitarre und winkt uns nach. In Korce ist die Fahrt leider zu Ende. Also doch keine Direktvebindung. Es ist unerträglich heiß. Wir sagen „Pogradec.“
Die so Angesprochenen murmeln was von „Fagona“. „Nein: Pogradec, nicht Fagona.“ Endlich kapieren wir, dass mit Fagona keine Stadt sondern ein Minibus gemeint ist. Wir sollen uns in ein Cafe setzen und warten. Wir haben kaum ausgetrunken, ist die oder der Fagona schon da und der Chauffeur lädt uns ein Platz zu nehmen. Irgendwie scheint hier eine Hand die andere zu waschen. Jugendliche steigen zu, die mit Kaugummi und Süßigkeiten auch nach Pogradec wollen und für den Chauffeur die Keilerdienste übernehmen. Dieser nämlich kreist in der sengenden Hitze immer wieder um den Terminal, um vielleicht doch noch Passagiere zu finden, die den für uns lächerlich geringen Fahrpreis erlegen. Endlich ist es soweit und wir halten tatsächlich auf Pogradec zu.
Ziemlich fertig kommen wir in Pogradec an, checken uns in einem Hotel am Strand ein, bekommen vom Koch selbst, der erfahren hat, dass meine Lebensgefährtin Vegetarierin ist, ein vorzügliches Essen serviert, um dann den Abend bei einem Spaziergang am Korso zu beenden, auf dem die halbe Stadt unterwegs zu sein scheint.
Am nächsten Morgen versuchen wir nach Lin zu kommen. Nichts einfacher als das. Man stellt sich auf die Hauptstraße, nennt sein Ziel und wartet. In wenigen Minuten ist ein Minibus zur Stelle. Der Fahrer ist zwar Albaner, aber gleichzeitig auch ein begeisterter Deutscher. Er schwätzt bei rasender Fahrt auf uns ein, nennt die Namen aller bekannten deutschen Fußballer, überholt an einer Stelle, wo die Polizei gerade eine Kontrolle durchführt, und meint auf meine Frage, ob er denn keine Strafmandate fürchte, dass sie ihn zwar abmahnen könnten, aber dass es ohne Folgen bliebe . „Ein Anruf bei der Partei genügt“, sagt er lachend. Irgendwie ist er mir sympathisch. Ein waschechter Albaner mit Machoallüren, aber sprühend vor Kraft und Lebensfreude. Gottseidank sind es nur noch wenige Kilometer. Wie durch ein Wunder erreichen wir Lin ohne Unfall.
Es liegt abseits von der Straße, an der auch die Eisenbahn vorbeiführt. Vor der Ortseinfahrt begegnet er einem Mann, den er zu kennen scheint. Obwohl er in der Gegenrichtung unterwegs war, steigt er ein und ohne uns zu fragen, werden wir in sein Haus geführt, das am Ortsende direkt am Ohridsee liegt, der als einer der ältesten Seen der Welt zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Uns überrascht das nicht. Wir hätten keinen schöneren Platz finden können, die letzten Tage unseres Aufenthaltes in Albanien zu genießen.
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