La Paz – Coroico: Ausflug in die Yungas

Jose Manuel, der Projektschoffoer meines Bruders, erwartet mich puenktlich um 8 Uhr. Ich lade ihn auf eine von mir zubereitete andine Suppe ein. Er isst sie mit grosser Begeisterung und bittet um Nachschlag. Die noch groessere Ehre: Er verlangt das Rezept und moechte heute Abend seine Frau mit dieser Suppe ueberraschen. Die Zutaten fand ich alle auf den kleinen Marktstaenden wenige Quadras vom zwanzigstoeckigen Hochhaus entfernt, in dem wohnen zu duerfen ich Rainer verdanke. Neben chinesischen Nudeln und viel Gemuese sind es vor allem die geraeucherten Schweinerippen, die die Suppe so schmackhaft machen.

Es geht los. Leider geraten wir von einem Stau in den naechsten und finden lange keine Tankstelle. Der Liter Benzin ist – wenn ich das richtig umgerechnet habe – mit 1 $ und einigen Centavos verhaeltnismaessig billig. Jose Manuel staunt, als ich ihm sage, dass wir in Europa mehr als das Doppelte berappen muessen. 550 Bolivianos, das sind ca. 120 $, ist hier der Durchschnittsverdienst. Die Unterhaltskosten in Bolivien sind verglichen mit Peru fast um die Haelfte billiger. Ich jedenfalls koennte hier von meiner Pension ein Leben wie Gott in Frankreich fuehren.

Heute am internationalen Tag des Umweltschutzes qualmen die Autos, vor allem die Busse und Lastfahrzeuge  mit ihren Abgasen um die Wette und nebeln uns so ein, dass ich das Fenster schliessen muss.  Auf der Rueckseite schuetzen sich etliche Ueberlandbusse mit naiven Jesusbildern vor den hier haeufigen Abstuerzen und anderen Unfaellen. Nach einem Zusammenstoss von zwei solchen Bussen und der Eisenbahn gab es vor einigen Tagen ueber 50 Tote.  Am Rand der Schluchten zeugen viele mit frischen Blumen geschmueckte Gedenkstaetten entweder von der Untauglichkeit der Fahrer oder dem schlechten Zustand der Fahrzeuge. Ueberholt wird dreispurig links oder rechts, je nachdem, wo sich Platz bietet. Es wird gehupt, was das Zeug haelt. Passanten sind gejagtes Freiwild. Rot wird – so gut es geht – ignoriert.

Endlich sind wir draussen aus der Stadt, dem Laerm und Qualm, der den internationalen Tag des Umweltschutzes mehr als Luegen straft. Es geht hinauf auf 4600 m und es wird empfindlich kalt. Waren es in La Paz noch 10 , sind es jetzt nur noch 1 Grad. Die Landschaft ist wuestenaehnlich, aber atemberaubend schoen und  wird immer unwirklicher. Der Nebel, der von den Yungas heraufkommt, verbirgt die himmelhochragenden Felsgebirge und gibt sie im naechsten Augenblick wieder frei. Manchmal so dicht, dass wir die Strasse nicht mehr sehen und dann wieder reisst die Nebelwand auf und zeigt eine Kulisse, wie sie der romantische Landschaftsmaler Kaspar David Friedrich nicht besser haette auf Leinwand bringen koennen. Die Sonne taucht die Landschaft in harten Schatten und in ein so grelles Licht, dass einem die Augen wehtun. Bin dankbar fuer die gute Sonnenbrille.

Am Pass oben kriegt mein Fahrer Schwierigkeiten mit der Polizei. Weil sie nichts finden, aber von Bakschisch zu leben scheinen, beanstanden sie das fehlende Feuerloeschgeraet. Jose Manuel bemueht den bolivianischen Artikel 10. D.h. mit geschmierten 10 Bolivianos – unsichtbar zwischen ein Papier gefaltet – duerfen wir weiter fahren.

Allmaehlich wird es waermer und es aendert sich die Vegetation. Das Thermostat zeigt mittlerweile schon 15 Grad und es wird – ich will es nach so langer Reisezeit im Altiplano kaum glauben – GRUEN. Das tut den Augen gut. Nicht nur sattes Gruen in allen Schattierungen nach soviel eintoenigem Ichugrasstrohgelb und Felsgrau, endlich Flora und Fauna, wie sie Eva, meine ehemalige Teamkollegin und Freundin auf den Fotos vermisst hat. Das gilt es festzuhalten, auch wenn Jose Manuel leicht genervt ist, weil ich alle Augenblicke aussteigen und Pflanzen und Blumen und Baeume fotografieren will. Jetzt hat es 30 Grad. Vom Frost in die Tropen und das in weniger als 3 Stunden.

Um das falsche Bild, das Eva und meine Lebensgefaehrtin Sue, beide mit gruener Hand und blumennarrisch, von dieser der Trockenzeit geschuldeten Trostlosigkeit Perus und Boliviens haben, zu korrigieren, lass ich keine Pflanze aus, die in Bluetenkelchen Farbe zeigt.

Es gibt nicht nur herrenlose Hunde hier oder fuer Touristen geschmueckte Lamas, wie Eva bemerkt hat. Ein Verkehrsschild macht darauf aufmerksam, dass es hier Hirsche gibt. Ja. Ihr habt richtig gelesen: Andenhirsche. Leider gelingt es mir trotz etlicher Bemuehungen und sehr zur Schadenfreude von Jose Manuel nicht, die Adler, die mit grossen Schwingen den Aufwind suchen, auf einem Foto festzuhalten. Ihr muesst mir einfach glauben.

 

Nach einem schmackhaften Mahl in Coroico suchen wir die viel geruehmten Wasserfaelle. Es gibt sie, aber sie fuehren derzeit kein Wasser. Dafuer finden wir viele Kokapflanzungen. Rauchherde in der Ferne. Sembra oder cosecha? Wird geerntet oder angepflanzt?  Eine Frau legt die Kokablaetter zum Trocknen aus. Erst nach Intervention eines Einheimischen, den wir auf dem Weg in sein Dorf mitgenommen haben, ist sie dazu bereit sich fotografieren zu lassen. Sie hat Angst. Moeglicherweise glaubt sie, dass man sie der Herstellung von Drogen beschuldigen koennte. Evo Morales, ehemaliger Anfuehrer der Kokabauern, hat klargemacht, dass er den Anbau von Koka bis zu 12.000 ha legalisieren , Herstellung und Handel mit Kokain allerdings hart bestrafen will.

Koka sei nicht Kokain, wird er nicht muede der internationalen Gemeinschaft zu erklaeren. „Warum – so sein Argument – ist Coca Cola legal, aber der kontrollierte Anbau von Koka und das Kauen von Kokablaettern nicht? Den Anbau zu verbieten sei ein historischer Irrtum. Seit Jahrhunderten dienten die Kokablaetter der andinen Bevoelkerung als medizinisches Mittel gegen Hunger, Kaelte und Muedigkeit.  Was der Capuccino fuer die Europaer, sei der mate de coca fuer die Einheimischen. Wie Evo Morales allerdings verhindern will, dass durch die Legalisierung des Anbaues und der Erweiterung der Anbauflaechen die Kokainkuechen im Dschungel florieren, sagt er nicht. Jedenfalls gibt es einen regen Handel.

Saeckeweise und ganze Wagenladungen voll von Kokablaettern werden den ganzen Tag ueber in die Hallen des staatlichen Grosshaendlers getragen, von denen aus die Maerkte in der ganzen Region versorgt werden. Nach der Ausweisung des US-Botschafters letzte Woche liess Bush die Unterstuetzungsgelder, mit denen der Kampf gegen den Drogenhandel finanziert wurde, suspendieren. Das muss allerdings noch der Kongress absegnen.

An vielen Orten finde ich Hinweisschilder, die das Urinieren unter Strafe stellen.

Morgen wollen mein Bruder und ich nach Tiwanaku aufbrechen. Soll das Machu Pichu Boliviens sein. Bin schon neugierig.

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