La Paz- Ein Tagesausflug

Zuerst wollte ich liegen bleiben. Mir ging es gar nicht gut. Das vermaledeite Kopfweh und staendige Nasenbluten machen mir zu schaffen. Aber nach einem heissen mate de coca mit Honig und 2 Aspirin ging es mir wesentlich besser. Also nichts wie hinaus, um die Stadt zu erkunden. Ich habe es nicht bereut. Viel gehoert, mehr gesehen und fuer meine treuen Blogbesucher festgehalten.
Am Plaza (Pedro Domingo) Murillo, einem Freiheitskaempfer wie Simon Bolivar oder Jose Martegui, der 1809 die Unabhaengigkeit von Spanien fuer Bolivien angestrebt hat, ueberrascht mich eine martialisch eingekleidete Musikkapelle vor dem Sitz des im Barrocko mestizo gebauten Regierungspalastes, nach einem Brand auch Palacio quemado genannt. Hier werden wie am Markusplatz in Venedig von Einheimischen wie von Touristen tausende Tauben gefuettert.
Ich lass mir von einem Taxista den alten Teil der Stadt zeigen.

 Es gibt sie noch die Haeuser im Kolonialstil mit den holzgeschnitzten Alkoven.
Abenteuerlich die elektrische Verkabelung. So kenne ich das nur in den arabischen Laendern. Dass es da nicht alle Augenblicke zu Kurzschluessen und einem Zusammenbruch der Leitungen kommt, ist erstaunlich.

Am Terminal de los buses erkundige ich mich, ob es vielleicht auch Zuege gibt, die mich nach Chile bringen. Leider sind die Bahnlinien beinahe alle – auch die von La Paz nach Arrica – wegen Geldmangel eingestellt worden. So blieb mir nichts anderes uebrig als einen Pullman bis Antofagasta zu buchen. Eine Reise von ueber 20 Stunden. Fuer 335 Bolivianos (keine 50 $ fuer ueber 1000 km) recht guenstig.

 

Weiter gehts hinauf nach El Alto, in das sich nur wenige Touristen wagen. Am Wegrand schwindelerregende Blicke hinunter in das vier- bis sechshundert Meter tiefergelegene La Paz.
Auf einem Baum haengt zur Abschreckung fuer Diebe eine Puppe auf dem Baum. Manche Teile dieser Stadt oder besser: Ansamlung von ungetuenchten Hauesern zwischen nicht befahrbaren Strassen – sollten von Mochilleros wie mich besser nicht betreten werden. Ein Menschenleben ist hier nicht viel wert. Letztes Jahr wurden ueber 50  Faelle von Lynchjustiz gezaehlt. El Alto kann saemtliche Zufahrtsstrassen nach La Paz blockieren. 2003 hat diese Demonstration der Macht den letzten Praesidenten nach wilden Ausseinandersetzungen zwischen Polizei und Militaer, die mehr als 80 Tote gefordert haben, zum Ruecktritt gezwungen. Miguel, mein Taxisschoffoer erzaehlt mir, dass alle Geschaefte gepluendert waren und sie 3 Wochen von Konserven und in Wasser getauchten Keksen gelebt haetten. Seither wird ueberlegt, den Regierungssitz in La Paz wegen seiner leichten Verwundbarkeit aufzugeben.

Uebrigens: Der Grund, warum fast alle hier gebauten Haeuser wie Rohbauten aussehen und die wenigsten verputzt werden, ist der, dass nur verputzte Haeuser Steuern zahlen muessen. Die anderen zahlen nur fuer den Grund, auf dem sie gebaut wurden.

In Serpentinen schlaengelt sich die Strasse hinunter in das Villenviertel im Sueden von La Paz. Noch muss keine Maut bezahlt werden, weil darueber gestritten wird, wem die Maut nun gehoeren soll: El Alto oder La Paz. Das suedliche La Paz, San Pedro, liegt noch einmal 200 m tiefer und gilt als der aelteste Teil der Stadt, obwohl dort kaum mehr Haeuser im Kolonialstil zu finden sind. Hier findet man neben der nun leer stehenden US-Botschaft die Niederlassungen auslaendischer Unternehmen und die Villen der Reichen.

Auf der Strecke Frauen und Maenner, die gegen Lebensmittel im Strassenbau schuften. Morgen ist internationaler Tag des Umweltschutzes.

Eine Schule geht mit Ihren LehrerInnen auf die Strasse, um gegen die Laermbelastigung zu demonstrieren. Die Formationen, die wie Felsen ausschauen, sind aus Tonnerde. Eigentlich ein fruchtbarer Boden. Gruen sieht man hier allerdings nur wenig. Wasser ist rar.

 

 

Evo Morales, der hier auf allen Waenden noch aus Wahlzeiten begruesst wird, liess gegen eine hohe Abloese das von einem franzoesischen Unternehmen privatisierte Wasser wieder verstaatlichen. So wurde nach den Wasserkreigen in Cochabamba die groesstenteils arme und indigene Bevoelkerung des El Alto das erste Mal zu erschwinglichen Preisen mit Wasser versorgt. Auch Entel wurde vor 2 Monaten verstaatlicht. Seitdem bricht das Netz immer wieder zusammen. Die geforderten Abloesesummen werden aus dem Export von Erdoel ud Erdgas finanziert.

Der Choqueyapu, an dessen Ufer Frauen ihre Waesche waschen, ist laengst schon kontaminiert.

 

Ich moechte ins valle de luna, das sich seinen Namen wegen seiner erodierten Formationen aus Tonerde, die von Beige ueber Braun ins Roetliche spielen koennen, verdient hat. Ich war vor 30 Jahren hier und bin entsetzt, wie diese an Stalagmiten erinnernde Landschaftskulisse, touristisch ausgeschlachtet wird.

Auf einem der Stalagmiten ein Mann mit einem Poncho, der eine Charrango spielt und wie eine Vogelscheuche aussieht. Pfade, die zwischen der erodierten Tonerde im Kreis fuehren. Und das fuer 15 Bolivianos. Hier habe ich mit einem Argentinier einen Peyotetrip genommen. Es gibt in ganz Suedamerika, wie wir aus den Buechern von Castaneda wissen, nur drei solcher geheiligten Orte, wo Schamanen ihren Peyotekult feiern. Das Hallozinogen wird aus einem 7 oder 11 rippigen Kaktus gewonnen.
Ich weiss noch, wie ich mich mit einem aymarasprechenden Kind unterhalten habe, oder mir eingebildet habe mich unterhalten zu haben. Wie wir zurueck gekommen sind, weiss ich allerdings nicht mehr. Heute wuerde ich das nicht mehr wagen. Woran ich mich aber gerne erinnere, ist, dass die Stadt weit weg und wir mutterseelen allein waren. Hier und da ein aus Lehm gebautes und mit Ichugras gedecktes Haeuschen, Lamawolle spindelnde Indiofrauen, Hirtenkinder, sonst nichts. Heute ein Touristenzentrum, das sicher zur Absiedlung der wenigen Menschen gefuehrt hat, die hier ihr Leben gefristet haben. Cafes, Souvenirshops: das Uebliche. Warum aber sollen die Einheimischen nicht ebenso, wie wir es in den Alpen tun, vom Tourismus leben? Nur: Bei uns wird man nicht im Kreis gefuehrt und es stehen keine in Lederhosen getrachteten Maenner auf allen Erhebungen und jodeln.

Ueber die puente de las americas wieder zurueck in der Stadt, bitte ich meinen Schoffeur anzuhalten. Die Murales haben es mir angetan. Sie erzaehlen, wie auch Fritz in einem Kommentar geschrieben hat, die leidvolle Geschichte der Conquista bis hinein in unsere Zeit. Leider auch hier Drogensuechtige, die sich mit billigem Klebstoff die Lunge ruinieren.

Morgen will ich in die Yungas, um ein bisschen die Tropen zu schnuppern. War lange genug in den kalten Zonen und werde es bis terra del fuego bleiben.     

 

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