14 Jul In Durres
Den Bahnhof von Durres, einer Hafenstadt an der Adria mit Fährverbindungen nach Italien, Griechenland und Kroatien, zieren rührende Plakate im Retrostil der Waschmittelwerbung aus den 50igern, die den Passagieren einen ICE versprechen.
Durres teilt die gleiche wechselvolle Geschichte wie der Rest des Landes. Von hier aus führte eine von den Römern angelegte Straße, die via Egnatia, bis ins ferne Byzanz, das später auch als Metropole des osmanischen Reiches viele Jahrhunderte die Kontrolle über diesen Teil des Balkan .ausgeübt hat. Cäsar hat sich hier in der 600 v. Chr. von griechischen Kolonisten gegründeten Stadt in einem römischen Bürgerkrieg mit Pompejus geschlagen, die Stadtstaaten Venedig und Neapel nahmen es in ihren Besitz., Erdbeben zerstörten, Illyrer und Normannen überrannten die Stadt. Ein Zankapfel blieb sie bis zum Zweiten Weltkrieg, als Mussolini die Adria zum „mare nostrum“ erklärte und italienische Truppen hier an Land gingen, um über Albanien bis Griechenland vorzudringen: Ein Vorhaben, das die deutsche Wehrmacht dann im Balkanfeldzug 1941 zu Ende führte. Am Rande sei erwähnt, dass die albanische Bevölkerung keinen einzigen Juden an die Faschisten ausgeliefert, sondern sie in ihren Häusern versteckt und beschützt hat.
Viel vom kulturhistorischen Erbe ist allerdings nicht zu sehen in Durres. Vieles liegt auf dem Meeresboden oder ist unter den Häusern vergraben. Vereinzelte Mauerreste von Türmen der römischen Befestigungsanlage, das Amphitheater: Alles andere nicht zugänglich.
Wir nehmen ein Taxi hinaus zum kilometerlangen Sandstrand, um im vorgebuchten Hotel „Oasis“ einzuchecken, wo wir einige Tage verbringen wollen. Taxifahrten sind verhältnismäßig teuer. 1000 Lek will er für die 10 km. In den Sommermonaten ist Durres eine Kolonie von Tausenden Kosovaren, die über die in diesem Jahr fertig gestellte Autobahn in wenigen Stunden von Pristina ans Meer fahren, um dort ihren Urlaub zu verbringen. Ein Bibione für Kosovoalbaner, wo sie unter sich oder unter Brüdern bleiben. Zwischen den in gestaffelten Reihen stehenden fertigen und im Bau befindlichen Bettenburgen, die einander die Sonne und die Sicht stehlen, ungeteerte Wege mit tiefen Schlaglöchern, an deren Rändern der Müll auf Entsorgung wartet. Auch die NATO ist hier stationiert. „Wir sind zwar seit wenigen Monaten Verbündete der NATO, aber Lichtjahre entfernt von der EU“, beklagt sich der Taxifahrer, der ein bisschen Italienisch spricht.
Das Strandleben ist gewöhnungsbedürftig. Die Belästigung durch Bauchladenhändler hält sich aber in Grenzen. In beiden Richtungen ziehen vom Morgen bis in den Sonnenuntergang nicht nur mit Tragtaschen bepackte Esel, zu mobilen Verkaufsständen umgebaute Fahr- oder Motorräder vorbei, die alles anbieten, was zum Strandleben gehört, sondern vor allem die gut geölten Sonnenanbeter beider Geschlechter selbst. Kaum Pensionisten. Schießstände werden errichtet, Imbissstuben aus umfunktionierten Wohnwagen eröffnet, aus deren Seitenwänden Fenster heraus gesägt wurden.
Am Abend – nach getaner Bräunungsarbeit – laden Spaziergänge zu den gut besuchten Restaurants ein – manchmal sind es umgebaute Bunker, von denen es im Lande über 700 000 geben soll, wo man bei mediterraner Küche mit Raki oder Wein im Schatten der Pinien den Sonnenuntergang genießt, wenn nicht die miteinander im Kampf um Lautstärke konkurrenzierenden Betriebe solchen Genuss unmöglich machen. Kurzum eine Idylle, wie man sie von den Hausmeisterstränden der Adria aus dem damaligen Billiglohnland Italien kennt. Jedem das Seine. Das Unsere war es nicht.
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