Tirana: Erste Eindrücke

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Ein Taxi in die Stadt kostet 2000 Lek, der relativ stabilen Landeswährung, was umgerechnet 20 € entspricht, obwohl die Wechselstuben den Euro gegen 128 Lek (Juli 09) tauschen.

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Wie stark österreichische Unternehmen im Lande präsent sind, fällt durch unübersehbar große Werbeflächen schon auf dem Weg nach Tirana auf. Neben ÖMV, Strabag, Uniqua, Rogner und anderen Firmen, ist die Raiffeisen Zentral Bank nach der Übernahme der albanischen Sparkasse mit ihren über 100 Filialen die überall sichtbar bedeutsamste Investition, die wegen des rasch aufholenden Wirtschaftswachstums 2004 hohe Rendite versprochen hat.

Tirana ist sicherlich keine schöne Stadt. Ihren Charme entfaltet sie wie überall für den Besucher erst, wenn er sich auf sie einlässt. Architektonische Baujuwele wird man kaum finden. Das Zentrum ist noch immer geprägt vom monumentalen Baustil der Mussolini- und Hoxa-Ära oder aberwitzig gestalteten Bettenburgen, die vom ungebremsten Bauboom zeugen, der nach dem Scheitern des staatlichen Zentralismus 1991durch die Binnenmigration ausgelöst worden ist.

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Natürlich halten wir Ausschau nach den ehemals grauen Wohnblocks aus der Zeit des Sozialismus, die der 2000 gewählte Bürgermeister und hemdsärmelige Künstler Edi Rama als spektakuläre Verschönerungsmaßnahme in bunten Farben grell bemalen ließ und so für großes Aufsehen im In- und Ausland gesorgt hat. Und wir finden sie auch. Das hat die Stadt für ihre Bewohner sicher freundlicher gemacht, auch wenn es nach Hundertwasserkosmetik ausschaut und Armut  sich mit Farben nicht übertünchen lässt.

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Außerhalb der belebten Straßen überall Müllinseln um radlose Großcontainer, die von den Ärmsten nach Wiederverwertbarem durchwühlt werden, arbeitslose Jugendliche, die Kaugummi, Feuerzeuge, Plastikhaarspangen oder anderen Tand in ihrem Bauchladen anbieten, Männer und Frauen, die am Straßenrand kauern, um fächelnd auf kleinem Grill Maiskolben zu braten, auf Fahrrädern angebrachte Popcornmaschinen am Rande staubiger Straßen, auf denen Kolonnen von Mercedes Benz vorbeirauschen und einen heißen Reifen fahren. Bauschutt, für dessen Entsorgung sich anscheinend niemand zuständig fühlt, vergammelnde Häuser, in denen zerborstene Fensterscheiben vermuten lassen, wie deren Bewohner in den Wintermonaten frieren.

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Eine Stadt, die aus allen Nähten platzt und sich auf Grund der Landflucht über die verstopften Ausfallstraßen, deren Verkehrsaufkommen mit der Südosttangente in Wien vergleichbar sind,  krakenartig auszubreiten beginnt:

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Wir kommen am Skanderbergplatz vorbei, an der Oper, dem Nationalmuseum, und dem festungsähnlichen Gebäude des Justizministeriums, das unter Hoxa abgeschafft war. Die Pyramide – das von seiner Tochter entworfene Mausoleum im Pyramidenstil – lassen wir aus.  Es ist zu heiß für Sightseeing.

Baustellen, Baustellen, Baustellen. Wer in diese Branche investiert, muss sich eine goldene Nase verdienen. Es herrscht Goldgräberstimmung. Auf den Rohbauten hängen an freistehenden Armierungseisen die roten Fahnen mit dem Doppeladler, die schon Skanderberg in seinen Schlachten gegen die Türken 1443 – 1468 eingesetzt hatte, neben dem US- Sternenbanner, dem verheißungsvollen Symbol grenzenloser Freiheit, nach der sich die stolzen „Söhne der Adler“ nach jahrzehntelanger Isolierung und wirtschaftlicher Depression nach dem Pyramidenskandal 1996 so gesehnt haben.

Die von Berisha propagierte „Albanien 1 Euro“ Politik, die ausländische Investoren anlocken soll, wird bald auch vor den strategisch wichtigen Energieversorgungsunternehmen nicht mehr Halt machen. Ob die Politiker aus dem Pyramidenskandal gelernt haben, einem Lehrstück für gezielte Deregulierung nationaler Finanzwirtschaft, die die internationale Finanzkrise 12 Jahre vorweggenommen hat, wage ich allerdings zu bezweifeln.

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