Anmerkungen zum Binnen I

Ich musste das ganze Buch noch einmal lesen, um diese zwei Sätze wieder zu finden, die sich wie eine Schlange unter einem von Mittagssonne aufgeheizten Stein versteckt gehalten hatten. Zuerst wusste ich nur, dass sie sich auf der linken Buchseite finden lassen würden. Woher dieses Wissen aber kommt, das ich sicherlich mit vielen LeserInnen teile, um mit diesem wie ein Kirchturm (übrigens auch ein Bild, das ich diesem Autor schulde) aus dem Neusprechsuffix ragenden I auch den Teil der Menschheit anzusprechen, der sich sonst ausgeschlossen fühlte, ist parapsychologisch noch nicht hinlänglich erklärt.

Ich habe diesen Satz noch kaum zu Ende geschrieben, muss ich mich fragen, wie sich vermeiden ließe, beim Leser eine frauenfeindliche Haltung zu suggerieren, die der Schreiber in Wirklichkeit gar nicht einnimmt. Unlängst nämlich wurde ich zu Recht darauf hingewiesen, dass Radfahrer auch in der weiblichen Form vorkommen und musste mit Bestürzung feststellen, dass neben Fuenlabrada, eine Vorstadt von Madrid, auch Wien begonnen hat, selbst bei den Piktogrammen als optischen Ausdruck einer Gender-Mainstreaming-Kampagne zur Hälfte die Geschlechter.zu wechseln, was  mir bis heute nicht aufgefallen war.
Fluchtwegschilder zeigen künftig auch eine fliehende Figur mit wehenden Haaren, Rock und Damenstiefeln und jede zweite Markierung von Fahrradwegen soll mit einem Piktogramm versehen sein, das ohne obere Querstange als Damenfahrrad zu erkennen ist.

„Zwar teilt der Magistrat ausdrücklich die Einschätzung des Ortsbeirates zur Bedeutung des Gleichstellungsgedankens. Jedoch ist der Magistrat der Ansicht, dass die Formgebung für ein Fahrrad nicht einer deutlich unter Genderaspekten zu differenzierenden Aufteilung unterliegt. Grund hierfür ist die funktionale Bedeutung des Fahrradrahmens für die Fahreigenschaften und letztlich der Nutzung. Die Kaufentscheidung ist nach Auffassung des Magistrats weniger geschlechts- als vielmehr auf die Nutzungswünsche der Kaufinteressentin bzw. des Kaufinteressenten bezogen.“

Da ich in eine Epoche geboren wurde, in welcher es Kinderfahrräder noch nicht gab und auf Nutzungswünsche von Kindern als Kaufinteressenten noch keine Rücksicht genommen worden ist, war das Fahrradfahren noch ein akrobatischer Akt und führte uns deutlich vor Augen, dass wir erst Männer sein würden, wenn wir uns über den Sattel und die Stange schwingen können, um nicht – vom genderspezifischen Rahmen – behindert, in die Pedale treten zu müssen. Damals haben mein Bruder und ich das Synchronfahren erfunden, woraus aber meines Wissens nie eine trendige Sportart wurde: Uns mit der linken Hand am Lenkrad und mit der rechten am Sattel festhaltend trat jeder auf seiner Seite in ein Pedal.

Übrigens mussten sich auch Frauen  als Männer verkleiden, wenn sie ein Fahrrad fahren wollten. Natürlich wurden sie damals als wild women gebrandmarkt und waren üblen Beschimpfungen von Passanten ausgesetzt.

Selbst die ÄrztInnen – diesmal sicher alle männlichen Geschlechts –  warnten vor der Nutzung des Fahrrads durch Frauen. So wurde im Jahre 1896 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift angeprangert, dass „kaum eine Gelegenheit zu vielfacher und unauffälliger Masturbation so geeignet sei, wie sie beim Radfahren sich darbietet. Aus diesem und keinem anderen Grund müssten extra flache Damensitze entwickelt werden, um diesen Untrieb zu vermeiden.“

Wenn auch ich jetzt meinen Senf dazu geben darf: und wie man(n) als Frau sagen würde: Bilderpolitik oder die avantgardistische und e-man(n)/frau-zipatorishe Umschreibung der Bundeshymne ist etwas anderes als reale Gleichstellungspolitik. Über“haupt“ sollte die Bezeichnung „Bezirks- oder Landeshauptfrau“ zu denken geben, wie der Moderator der Kunst- und Subkultursendung Artarium Norbert K.Hund satirisch anmerkt, da eine Hauptfrau an einen Harem erinnere und man(n)/frau sich unwillkürlich frage, wer dann die Nebenfrauen seien.

Aber auf die zwei Sätze zurück zu kommen, die wieder zu finden, ich das ganze Buch noch einmal lesen musste, ergibt jetzt keinen Sinn mehr. Trotzdem will ich ihn der geneigten LeserIn nicht vorenthalten:: „Der letzte Rest von Jugend, Nach und nach wird in jedem Stockwerk das Licht ausgeknipst und am Ende verlässt der Eigentümer sein Heim durch die Nasenlöcher.“   Gefunden bei Clemens Setz in „Söhne und Planeten“

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