20 Mrz Von Ameisen und Elstern: Eine Fabel
Weit weg in einem Land, dessen Name aus zwei Worten zusammengesetzt war – zwei Hauptwörtern, von denen letzteres, nämlich „Reich“, oft mit dem gleichnamigen Eigenschaftswort verwechselt wurde, was zu Irrtümern Anlass gab. Denn reich waren dort nur diejenigen, die von den Bienen, Ameisen und Eichhörnchen, dem gemeinen Volk also, für 6 Jahre in Ämter gewählt wurden, damit dort den jeweiligen Erfordernissen angepasste Gesetze erlassen würden, welche unter anderem vor allem die Aufteilung der Beute betrafen. Natürlich wurden mit dem von allen eingezahlten Beiträgen zum Gemeinwohl Straßen und wabenartige Unterkünfte gebaut, damit sich Ameisen und Bienen sowohl schneller fortbewegen als auch ihren Bedürfnissen entsprechend behaust fühlen konnten. Soviel sie aber auch schufteten und schindeten, mit dem Ertrag ihrer Arbeit konnten sich die meisten eben nur das leisten, was sie unbedingt zum Überleben brauchten. Drum rumorte es da und dort, denn sie wollten nicht einsehen, dass manche der von ihnen gewählten Vertreter für nicht erbrachte einzelne Leistungen oder solche, von denen sie sich im Nachhinein fragten, ob es überhaupt Leistungen waren, Summen kassierten, von denen Ameisen, Bienen und Eichhörnchen einen ganzen Winter lang leben hätten können. Ihr Zorn war groß und ihre Wut wuchs. Auf der einen Seite wurde gegen eine Handvoll Ameisen ermittelt, weil sie sich für artgerechte Menschenhaltung eingesetzt hatten. Die waren nämlich wie in Legebatterien in turmhohen Glaskästen eingesperrt worden, um in immer kürzerer Zeit immer größere Erträge zu erzielen. Monatelang wurde ihnen ein lachhafter Prozess wegen terroristischer Umtriebe gemacht. Auf der anderen Seite hörten sie fast täglich von angefütterten Mandataren. Futterneid war es nicht, der das gemeine Volk fast auf die Straße getrieben hätte, denn seit jeher war bekannt, dass es sich die da oben schon richten. Auch das Plakatieren von „Geiz ist geil!“ hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Nur hatten die da oben jetzt – bildlich gesprochen – das Fass zum Überlaufen gebracht, da kein Tag nicht verging, an dem nicht von Beutezügen die Rede war, mit denen sch die meisten unter ihnen für ihre Dienste am Land unverhältnismäßig bereichert hatten. Betonung auf Unverhältnis, denn den einfachen Ameisen und Bienen und Eichhörnchen wurden schon wegen weniger Cents, die sie dem Staat vorenthielten, große Geldstrafen aufgebrummt.
Elstern sind es. Alle miteinander. So schimpften sie und auch die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Einige waren – nicht ohne großzügige Abfindung – in Pension gegangen und boten ihre Dienste nun Diktatoren in fremden Ländern an. Einer der schwarzen Raben oder schwarz-weiß gefiederten Elstern – er hatte sich gern mit dem Käppi eines Fahrdienstleiters gesehen oder war als Verkehrsminister mit 200 Sachen auf den von ihm in Auftrag gegebenen Autobahnen, deren Lärmschutzwände er in Zukunft einsparen wollte, geblitzt, aber nie bestraft worden, – schrieb auf Papier, das er aus seiner Kanzlei in Stößen zu hundert mitgehen hat lassen, weil es mit den Stempeln und Insignien des Landes versehen war, das ihm gedient hatte -, dass nun the country too small for him sei. Ein anderer, der sich für den buntesten und schönsten Vogel des Landes hielt und vom damaligen Kanzler allein deswegen zum Finanzminister gekürt wurde, weil ihn angeblich jegliche Mutter gerne als ihren Schwiegersohn gesehen hätte, trieb es am schlimmsten: Er brachte die Beute außer Landes, gründete hunderte Briefkastenfirma in Übersee, auf denen er das Angefütterte bunkern ließ, um für schlechte Zeiten vorzusorgen. So jagte ein Skandal den anderen. Die mit den Fällen beschäftigen Juristen, Uhus, die über den Papierbergen immer wieder einzuschlafen drohen, waren längst überfordert. Um den Unmut des gemeinen Volkes zu beschwichtigen und die Gemüter der Ameisen und Bienen und Eichhörnchen, die es zum schmückenden Beiwort „fleißig“ gebracht hatten, wieder zu beruhigen, brachte der Vizekanzler einer Partei, in der sich alle ein dickes schwarzes Fell hatten wachsen lassen, den mit großem Wohlwollen aufgenommen Vorschlag ein, für die in seiner Wolle Eingefärbten einen verbindlichen Verhaltenskodex erstellen zu lassen, der weit über das Gesetz hinaus, das ein Zuwiderhandeln gegen diesen Kodex theoretisch ohnehin unter Strafe stellt, moralisches Verhalten in der Politik wieder herstellen soll. Den Vorschlag soll ein Gremium von ehemaligen Politikern ausarbeiten, die noch nie vor einen U-Ausschuss zitiert worden sind. Da klatschten die Ameisen und die Bienen und die Eichhörnchen Beifall und es herrschte wieder Frieden in dem Land, das seit jeher als die Insel der Seligen galt und von dem heute die Mär geht, dass es eines der reichsten Länder auf diesem Erdenrund sei.
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