09 Jul Nokia Rufton
Wie er den klingelton von nokia hasst. Selbst noch bei der überquerung der maghellanstraße – mitten auf hoher see – in der kabine der fähre, die ihn nach feuerland bringt, the uttermost part of world, schreckt ihn das handyläuten aus seinen gedanken; fast ein phantomschmerz konstatiert er erleichtert, denn es war nicht seines, das geläutet hat. Er nämlich hatte sich eine auszeit genommen; wollte einmal nicht erreichbar sein.
Einige mitreisende nesteln hektisch ihre handys aus den jacken- oder handtaschen; die einen, um befriedigt festzustellen, dass es nicht ihres ist, das geläutet hat, ein anderer, der nach nervösem suchen es gerade noch schafft abzuheben. Das dröhnen der schiffsmotoren dürfte ihm mehr zu schaffen machen als die tatsache, dass wir alle zeugen seines gespräches werden. Lautstark teilt er mit, dass er gerade auf der fähre ist.
Ein kontrollanruf, denkt er – ein bisschen schadenfroh. Wie gut, dass er nicht erreichbar ist; zumindest für eine Zeit, zumindest während dieser Reise nicht.
Alle die peinlichen situationen, in die er in seiner letzten ehe geraten war, weil er entweder nicht sofort, oder – noch schlimmer – gar nicht abgehoben, manchmal nicht die erwarteten antworten gegeben hatte oder nicht einfühlsam genug gewesen war, seine ihm angetraute mit jedem anruf seiner liebe zu versichern. Das war nun schon beinahe über drei jahre her, und sein nächster gedanke ist, warum ihn das noch immer einholen, noch immer so schrecken kann, dass er – ebenso hektisch wie die anderen Passagiere – nach einem nicht vorhandenen Handy sucht.
„Ja, hallo. Ja, ich bin bei meiner schwester. Wir plaudern gerade.“
Aha, ihr plaudert gerade. Warum hast du nicht gleich abgehoben? Ich habe nämlich vor zwei minuten schon einmal angerufen, aber da bist du nicht dran gegangen. Bist du überhaupt bei deiner schwester oder lügst du mich an?“
Soll ich dich mit ihr…?
„Nein, ich glaub’s dir auch so. das nächste mal aber geh gleich ran, bevor ich auf blöde gedanken komme.“
„Auf welche gedanken denn, schatz?“
„Du weißt schon. Es könnte ja sein, dass du gar nicht bei deiner schwester bist.“
„Aber ich sag’s dir doch. Ich kann sie dir auch geben, wenn du willst.
„Ich will jetzt nicht mit deiner schwester reden, sondern mit dir. Du bist so weit weg. Wann kann ich denn ungestört mit dir reden?“
„Meine schwester stört doch nicht. Was ist denn so wichtig? Wir haben doch vor einer stunde erst miteinander gefrühstückt.“
“Entweder willst du mich nicht verstehen, oder du stellst dich jetzt dümmer als du bist.“
„Was, bitte, soll ich denn jetzt verstehen oder nicht verstehen können? Was willst du mir denn sagen, was du jetzt nicht sagen kannst, weil ich bei meiner schwester bin?“
„Du bist so weit weg.“
„Ja, das hast du schon gesagt, aber du hast doch gewusst, dass ich meine schwester besuchen will.“
„Ja, das hast du gesagt, aber es hätte ja auch sein können, dass du es nur sagst und gar nicht zu ihr gehst…“
„Wohin hätte ich denn deiner meinung nach hingehen können?“
„Warum hast du nicht gleich abgehoben? Da kommt man auf dumme gedanken.“
„Ja, hast du denn überhaupt kein vertrauen zu mir?“
„Du, ich will das nicht in gegenwart deiner schwester abhandeln.“
„Aber die stört doch nicht.“
„Aber mich stört sie.“
„Wobei stört sie dich denn?“
„Du verstehst mich nicht. Du hast mich noch nie verstanden.“
Ich höre angestrengt in die muschel, aber da kommt nichts mehr nach dem klack. Sie hat aufgelegt.
„Hat sie aufgelegt?“ fragt seine schwester.
„Ja, sie hat wieder aufgelegt. Aber sie wird gleich wieder anrufen und sich entschuldigen und dann geht das alles wieder von vorne los.“
Tatsächlich. Das handy klingelt. Sie schluchzt: „Warum tust du mir das an?“
„Was tue ich dir denn an?“
„Ihr macht euch jetzt sicher lustig über mich.“
„Nein, warum sollten wir. Ich geb’ dir jetzt meine schwester, ja?“
„Ich will nicht mit deiner schwester, ich will mit dir reden.“
„O.k.“
„Was heißt jetzt o.k.?“
„O.k. Heißt: Sprich!“
„Warum soll immer ich reden? Warum kannst nicht du auch einmal was nettes sagen? Ich hab gesagt, dass du so weit weg bist, dass ich dich vermisse, dass ich ungestört mit dir reden will, verdammt. Das würde alles nie über deine lippen kommen. Du bist immer so aalglatt am telefon.“
„Aber schatz, ich bin jetzt bei meiner schwester und …“
„Ja, deine schwester darf wohl nicht wissen, dass du mich liebst.“
„Aber das weiß sie doch. Das darf sie doch annehmen. Immerhin sind wir schon 10 jahre zusammen.“
„Das ist es ja. Weil du schon 10 jahre mit mir zusammen bist, glaubst du, du musst es am telefon nicht mehr sagen.“
„O.k. Jetzt hab‘ ich verstanden. Ich sag’s jetzt. Ganz laut. Meine schwester hört zu. Bist du bereit? Ich liebe dich. Iiiiich liiiiiebeeeee diiiich!“
„Wie du das sagst. So abgebrüht und nur, weil ich’s hören will. Von selber würde dir das nie einfallen. Vielleicht willst du mich einfach nur wütend machen.“
Wieder macht es klack und er sitzt da mit dem handy am roten ohr und fragt sich, was er nun jetzt schon wieder falsch gemacht hat.
Und wieder läutet es. Er kennt den rufton. Es ist der der vorinstallierte rufton von nokia. Er wollte sich nicht der mühe unterziehen, einen anderen, nur ihm geltenden auszuwählen. Reflexartig sucht er in seiner jacke nach dem handy. Sein sitznachbar fischt seines aus der tasche. Beinahe wäre es ihm aus der hand gefallen. Auch er hat den rufton nicht umgestellt: „Si? Querida. Soy …“
„Wieder einmal davongekommen.“, denkt er ein bisschen schadenfroh. Eifersucht kann ganz schön nervig sein. Die eifersucht eines partners oder einer partnerin kann bei 24 stündiger erreichbarkeit zum wahnsinn treiben.
Eigentlich sollte er mit anderen gedanken beschäftigt sein. Immerhin überquert er die maghellanstraße, und das ist denkwürdig. Für ihn zumindest.
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