27 Jun Dialog mit Oskar II
K: Ich bin müde.
M: Schon wieder? Du tust ja nichts anderes als schlafen. Wie kannst du da müde sein?
K: Ich schlafe nicht, ich übe.
M: Was übst du denn, wenn ich fragen darf.
K: Der Unterton in deiner Stimme gefällt mir nicht. Eigentlich wollte ich mich auf deinen Schoß legen, von dir gestreichelt werden und vor mich hindösen. Das ist mir vergangen.
M: Schmollst du schon wieder?
K: Ich schmolle nicht.
M: Doch tust du.
K: Tu ich nicht.
M: Jetzt gib’s doch einfach zu, Oskar.
K: Also gut. Ich bin beleidigt.
M: Was muss ich tun, dass du aufhörst, beleidigt zu sein?
K: Frag mich noch einmal, was ich übe, wenn ich schlafe oder so tue, als würd ich schlafen. Diesmal mit ehrlichem Interesse und ohne diesen arroganten Unterton in deiner Stimme.
M: Gut, Oskar. Was in aller Welt übst du, wenn du schläfst oder so tust, als würdest du schlafen?
K: Das gefällt mir noch immer nicht, wie du die Frage stellst.
M: Jetzt komm schon Oskar. Leg dich auf meinen Schoß und lass dich streicheln.
K: Gut. Ich bin müde. Ich leg mich jetzt auf deinen Schoß und versuche zu schlafen. Ich werde nicht schnurren.
M: Wer verlangt von dir, dass du schnurrst?
K: Du willst, dass ich mich fallen lasse, stimmt’s? Du willst, dass ich dir vertraue. Du willst, dass ich mich wohlfühle?
M: Ja, Das will ich.
K: Dann lass mich schlafen. Ich bin müde.
M: Aber du tust ja nichts anderes. 16 Stunden tust du nichts anderes als schlafen. Und wenn du nicht schläfst, putzt du dein Fell. Gezählte 3 Stunden. Bleiben dir noch 5 Stunden. In denen tust du WAS genau? Das ist doch kein Leben.
K: Ist das ein Vorwurf? Natürlich ist das ein Leben. Es ist meins. Du bist es mir nur neidig. Ich kanns nicht ändern. Wie du richtig sagst, ist Schlafen ein Tun. Ich übe, wenn ich schlafe. Ich jage, wenn ich schlafe. Ich putze mein Fell. Ich jage Mäuse.
M: Und Vögel.
K: Ja, die auch. Ich tu also immer etwas. Ich kann nicht wie du einfach nichts tun. Außerdem ist das schon lange her, dass ich dir einen Vogel gebracht habe.
M: Das war nicht irgendein Vogel. Das war ein ganz seltener, einer, der vor dem Aussterben bedroht ist.
K: Du meinst den mit dem schwarzen Gefieder mit den gelben und weißen Rändern an den oberen Flügeln?
M: Ja, den. Richtig wütend war ich auf dich.
K: Versteh ich nicht. Du bringst – ich weiß nicht, wie oft – Fleisch von Tieren heim, die umgebracht worden sind. Wenn ich da jedes Mal wütend würde, käme ich aus der Wut gar nicht mehr heraus.
M: Das ist nicht das Gleiche.
K: Ja, hab schon verstanden. Die nicht-menschliche Welt von Pflanzen und Tieren und das ganze System, das ihnen ein Leben ermöglicht, dürft ihr kaputt machen, aber wenn ich dir einen Vogel bringe, den ich dir zuliebe erjagt habe, macht es dich wütend.
M: Mir zuliebe erjagt? Das ist dein Instinkt. Du bist auf Mäuse und Vögel programmiert. Du jagst und tötest sie nicht wegen mir. Du kannst gar nicht anders.
K: Siehst du. Wie kannst du dann wütend sein, wenn ich gar nicht anders kann. Aber du als Mensch könntest anders. Du könntest der nichtmenschlichen Welt, von der du selber nur ein Teil bist, mit mehr Respekt begegnen.
M: Was anderes: Warst das du? Bist du das, der durch Nachbars Garten schleicht? Hab eine Nachricht auf dem schwarzen Brett gefunden. Die Beschreibung passt auf dich. Soll ich‘s dir vorlesen?
K: Ja, wenn du meinst.
M: Überschrift: Katze läuft durch unseren Garten. Rufezeichen. Wir haben jetzt schon öfter gesehen, wie eine schwarze Katze durch unseren Garten gelaufen ist. Meist als Zwischenstation in andere Gärten. Manchmal bleibt sie sitzen und beobachtet Vögel. Wir fühlen uns in unserer Privatsphäre gestört und möchten das nicht. Darauf kann man Rücksicht nehmen. Wem gehört sie? Auf Zuruf reagiert sie nicht. Falls sich jemand angesprochen fühlt, wir möchten nicht, dass unser Garten als Durchgangspfad genutzt wird. Sorgen Sie dafür, dass sie darum einen Bogen macht. Wir sind sonst sehr tierlieb und dulden sehr viel. Aber das nicht. Bitte stellen Sie das ab.
K: Ich nutze den Garten als Durchgangspfad?
M: Eine sogenannte Transitmigration. Geht gar nicht. Du brauchst einen grünen Pass. Oder ein Visum.
K: Gut, dass du nicht diese Art von Mensch bist und wir darüber lachen können. Du darfst mich jetzt streicheln. Ja, so ist es gut. Dort, wo ich nicht hinkomme: Zwischen den Ohren und dann am Hals. Nicht so fest! Sei nicht so grob! Ja, so. Und jetzt den Rücken entlang. Sanft. Zärtlich. Ja, so. So ist es gut.
M: Du schnurrst ja. Hast du nicht gesagt, dass du nicht schnurren wirst?
K: Gut, dann lass ich’s.
M: Sei doch nicht immer gleich so eingeschnappt. Gestern warst du besser drauf. Irgendwie hat es gestern richtig Spaß gemacht, mit dir zu plaudern.
K: Ich hab meine Tage. Einmal bin ich so, dann wieder so. Das nennt man Stimmungen. Du bist auch nicht immer gut drauf. Launisch bist du. Richtig launisch.
M: Oskar, das ist jetzt aber nicht gerecht. Wenn ich schlechte Laune habe, versuch ich, sie nicht an dir auszulassen. Warum peitschst du mit dem Schwanz. Bist du im Stress?
K: Lass mich endlich schlafen, ja? Ja, das stresst mich, dass du dauernd auf mich einredest, wo ich doch nur schlafen will und müde bin, aber du hörst mir ja nicht zu.
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