- Akt
Das kann doch nicht
Hat er gesagt
Das kann doch nicht wahr
Das kann doch nicht dein Ernst sein
Das meinst du nicht ernst
Hast du gesagt.. Aber du wusstest sowohl, dass es wahr und mir ernst war
Du musst nicht alles glauben
Du musst nicht alles glauben, hab ich gesagt…
Das sagt man wohl so, nur um etwas zu sagen
Ich hätte auch etwas anderes sagen können wie zB.
Noch ist nicht aller Tage Abend oder
Die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht ist oder
Morgen ist auch noch ein Tag oder
Jetzt warte einmal ab oder
Hol dir noch eine andere Meinung ein oder
Das hat mich jetzt aber kalt erwischt
Ja, alles das hättest du auch sagen können
Es wäre gleich geblieben
Es hätte keinen Unterschied gemacht
Vielleicht aber wäre es doch besser gewesen…
Zu schweigen? Lieber gar nichts zu sagen…
Um nicht etwas zu sagen, nur um es gesagt zu haben.
Schweigen wäre vielleicht angemessener gewesen
Schwer zu sagen. Wie hat sie reagiert?
Hast du gefragt, nicht um das Thema zu wechseln, sondern im Gegenteil, an ihm dran zu bleiben.
Hast du denn nicht gewusst, dass…
Was? Das auch noch? Das tut mir aber leid.
Es braucht dir nicht leid zu tun. Bin schon lange drüber hinweg.
Wann war das?
Ach, das ist ja schon nicht mehr wahr.
Und du bist drüber hinweg. So schnell? Wie ist das passiert? Ich meine, hat es sich angekündigt oder dich überrascht?
Hat es sich angekündigt. Alles kündigt sich an, nur nimmt man’s nicht wahr. Man will es nicht glauben.
Man will es nicht glauben. Ja, das ist wahr. Sei froh!
Worüber soll ich froh sein?
Hast du mit diesem leicht aggressiven Unterton gefragt, der mich sofort schweigen ließ.
Ich kann verstehen, dass du darüber nicht reden willst,
hast du geantwortet.
Du hast also…
Ja, hab ich nicht glauben wollen. Es geht mir ja gut. Weißt du, wenn ich …
Du meinst, wenn du noch einmal…
Ja, noch einmal ganz von vorne…
Von genau wann weg?
Ich würde es wieder machen.
Du würdest es wieder machen? Aber hast du nicht eben …
Es war das beste, was ich tun konnte.
Das beste, was du tun konntest? Hast du nicht mehr alle?
Wie redest du mit mir? Jeder tut, was er kann.
Und das ist immer das beste? Das kannst du doch so nicht sagen.
Hast du gesagt und dich immer mehr in Rage geredet.
Und ob ich das sagen kann. Ich hab das beste draus gemacht.
Findest du?
Gut, ich habe dich gereizt. Gereizt bis aufs Blut.
Ja, finde ich.
Da bin ich aber anderer Meinung.
Gestern hab ich sie gesehen.
Du willst das Thema wechseln?
Nein, ich bleib beim Thema. Wirst sehen. Alle faseln von Schicksal. Als hätten wir keine Möglichkeit, uns zu entscheiden. Gut, ich hab’s vermasselt. Es war nicht das Schicksal. Das war ich, kapiert?
Wovon redest du?
Das habe ich dich gefragt, obwohl ich genau wusste, wovon die Rede war.
Ich rede von dir und mir. Wäre nicht geschehen, was damals…
Fängst du schon wieder damit an? Hör auf, dich in den Sack zu lügen. Du hast es so gewollt.
Gewollt? Dass ich nicht lache. Schau mich an! Kann ich das gewollt haben?
- Akt
Es ist ja nicht so, dass…
Was ist nicht so?
Lass mich ausreden. Glaubst du etwa, dass das wirklich ich war?
Er hatte sich eben eine Zigarette angezündet. Es war seine erste an diesem Morgen, und wie jeden Morgen nach der ersten Zigarette schwindelte ihm so, dass er sich setzen musste.
Das kommt von der Zigarette, nicht?,
fragte sie schnippisch, ja fast schadenfroh, denn sie hatte vor wenigen Wochen aufgehört. …
Wer sonst soll es gewesen sein?,
nahm sie den Faden wieder auf. Sie kannte ihn eben in- und auswendig. Immerhin waren sie jetzt schon über 20 Jahre ein Paar.
Lassen wir es dabei!,
bot sie ihm an.
Was lassen? Dieses Bild, das du von mir hast, so stehen lassen? Das könnte dir so passen,
sagte er jetzt, obwohl er das eigentlich gar nicht sagen hat wollen. Aber er hatte es gesagt. Und schon war er da, der Streit, den er heute unbedingt vermeiden hatte wollen. Und auch die Kopfstimme hatte nichts Besseres zu tun, als ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie ihm geraten hatte, diesen vermaledeiten Dialog nicht fortzuführen.
Dümmlich, hast du gesagt, diesen dümmlichen Dialog,
verbesserte er seine Stimme, die sich immer in alles einmischte. Wenigstens hier in seinem Kopf wollte er recht behalten.
Dabei hatte dieser Morgen eigentlich ganz friedlich begonnen. Sie war wie immer vor ihm aufgestanden, hatte den Kaffee zubereitet und einen üppigen Tisch gedeckt. Ihre blonden Haare waren noch nass von der Dusche und kringelten sich um ihre Stirn, was ihr ein keckes, beinahe jugendliches Aussehen schenkte. Beim Frühstücken hatte sie ihm ihren Traum erzählt und ihn gefragt, ob er für diese Bilder eine Deutung wüsste.
Ihr Traum handelte von dem Haus, in welchem sie aufgewachsen war.
Stell dir vor, es hat sich plötzlich losgerissen von seinem Grund und trieb wie ein Hausboot auf Stromschnellen dahin. Ich habe aus dem Fenster geschaut, der Boden hat unter meinen Füßen geschaukelt, und du bist am Ufer gestanden und hast gewinkt.
Was habe ich? Gewinkt?
Wie man jemandem zum Abschied eben winkt,
hat sie gesagt. Ja, da gab es eigentlich nicht viel zu deuten. Ich hatte sie im Stich gelassen. Wieder einmal. Ihr droht Gefahr. Wahrscheinlich ist sie auf einen Wasserfall zugerast mit ihrem Haus und mir ist nichts Besseres eingefallen als zu winken. Sieht mir ähnlich, wird sie gedacht haben.
Wie hab ich denn drein geschaut?,
wage ich einen letzten Versuch. Es hätte ja sein können, dass sie auf meinem Gesicht so etwas wie Schrecken oder gar Entsetzen hat ablesen können. Das hätte das Bild von einem lediglich winkenden Mann etwas entschärft.
Vielleicht habe ich auch nur wild gestikuliert, weil ich in deinem Traum ahnte, worauf das Haus auf den Stromschnellen ruderlos zugesteuert ist,
versuchte ich es noch einmal.
Nein! Ich habe sicher nicht teilnahmslos gewinkt.
Doch das hast du,
sagte sie kauend.
Du warst absolut teilnahmslos.
Der Traum hatte Spuren hinterlassen, das stand fest. Der Tag war schon am Morgen nicht mehr zu retten. Das stand auch fest.
- Akt
Sprecher, 2 Stimmen (rächer/richter), 1 stimme (opfer)
Sprecher: Es ist Nacht/ ein Schlagbaum/Wachtürme/ Scheinwerfer/ Stacheldraht/ ein in der Ferne bellender Hund
1.st.: parole?
endlich!
2.st.: und weiter?
weiter? was weiter?
1.st.: weiter im text
welcher text?
2.st.: name?
wer seid ihr?
2.st.: hier stellen wir die fragen.
wo bin ich?
1.st.: das tut nichts zur sache
2.st.: du bist da.
Wo ist das, da?
1.st.: er fragt, wo das sei? Da.
2.st.: er wird schon draufkommen
1.st.: oder draufgehen, hahaha
ich gehe jetzt
1+2.: du wirst nirgendwo hingehen
2.st.: endstation
das werden wir gleich sehen
2.st.: nichts wirst du sehen .
eine falle
1.st.: nein, ein fall. ein ganz gewöhnlicher fall
2.st.: ein tiefer fall
ich will einen anwalt
1.st.: er will einen anwalt
2.st.: wo glaubt er, dass er ist?
so! sie haben nun ihren Spaß gehabt. ich wünsche noch einen schönen sonntag. Mir gefällt der ton nicht, den sie mir gegenüber anschlagen.
1.st.: der glaubt wirklich, dass wir das zu unserem vergnügen tun.
2.st.: wofür hält er uns?
1.st.: da kommt ja zum tatbestand des versuchten widerstands auch noch die verhöhnung.
- Akt
Schläfst du?
Ja, fast.
Also nicht. Glaubst du an die Wiedergeburt?
Du, es ist schon sehr spät. Du musst schlafen. Denk dir was Schönes. Wir können auch Morgen darüber reden.
Erstens. Es ist kurz vor Mitternacht. Zweitens, lass ich mir von dir nicht befehlen, dass ich schlafen muss. Und drittens weiß ich nicht, was ich mir Schönes denken soll.
Und viertens?
Viertens will ich Morgen nicht darüber reden, sondern jetzt.
Geht das jetzt schon wieder los? Den ganzen Abend über hättest du Zeit gehabt, aber jetzt, wo ich schlafen will… Das sieht dir ähnlich. Das hältst du nicht aus, dass ich schlafen kann und du nicht, stimmt‘s?
Der Fritz hat mir erzählt, dass er eine Rückführung gemacht hat und ein Reiter war, ein Engländer in Frankreich ungefähr im 16.Jahrhundert. In der Normandie hat er ein Schloss gehabt und ein schlechtes Gewissen, weil er seine Bediensteten so ausgebeutet hat.
Das sieht ihm ähnlich. Der hat doch schon immer eine Schraube locker gehabt.
So darfst du nicht über ihn urteilen. Nur weil er einmal mein Freund gewesen ist, musst du ihn nicht lächerlich machen. Oder bist du eifersüchtig auf ihn.
Warum soll ich eifersüchtig sein auf einen, der glaubt, dass er ein englischer Reiter in Frankreich mit einem schlechten Gewissen gewesen ist.
Jetzt gib’s doch einfach zu, dass du eifersüchtig bist auf den Fritz. Übrigens ist er bei der Rückführung von einem Franzosen verfolgt und mit einem Speer tödlich getroffen worden. Und dort, wo er getroffen worden ist, hat er ein Muttermal. Was sagst du dazu?
Ein Muttermal nur? Keine Narbe von einer Fleischwunde, die genäht werden hat müssen?
Warum machst du dich immer lustig. Man darf sich doch wirklich fragen, woher wir kommen, oder?
Jetzt mitten in der Nacht? Ich bin müde. Will schlafen. Können wir das nicht Morgen besprechen?
Immer weichst du aus. Immer sagst du Morgen.
Ich sage nur jetzt und heute Morgen, weil ich müde bin.
Übrigens ist jetzt schon Morgen. Er hat mir das Muttermal gezeigt. Es schaut tatsächlich so aus, als wäre es eine Lanze oder ein Speer gewesen.
Bei welcher Gelegenheit hat der Fritz dir das gezeigt?
Siehst du, jetzt bist nicht mehr müde und willst nur noch schlafen. Jetzt willst wissen, bei welcher Gelegenheit er mir sein Muttermal gezeigt hat. Wenn das nicht Eifersucht ist?
Woher will er wissen, dass es ein Franzose war, der ihn umbringen hat wollen? Vielleicht war’s eine Rauferei mit einem Rivalen, der um dich gebuhlt hat.
Gebuhlt? Das sagt doch heut keiner mehr.
Und wie man das heut noch sagt: Buhlschaft. Jedermann? Sagt dir das was?
Der Fritz hat nicht um mich gebuhlt. Wenn mir einer sein Muttermal zeigt, buhlt er nicht.
Was dann? Ich hab auch Narben an Stellen, die jemand nur zu Gesicht bekommt, wenn ich mit ihm intim bin. Hab ich dir meine Blinddarmnarbe als eine Wunde verkauft, die mir im Mittelalter ein Franzose zugefügt hat?
Jetzt lass doch den armen Fritz in Ruhe. Was hat er dir getan?
Er raubt mir den Schlaf. Das hat er mir getan. Lass uns Morgen weiterreden. Ich träum mir jetzt eine schöne Rückführung.
Mit wem, wenn ich fragen darf?
Du wirst doch nicht eifersüchtig auf meine Träume sein, oder? Für die kann niemand was.
Dann darf ich also vom Fritz träumen und du hast nichts dagegen?
Was soll ich denn dagegen tun, wenn du vom Fritz träumst. Würdest du es mir sagen, wenn du von ihm geträumt hast?
Ich kann und will mir den Fritz als Jedermann nicht vorstellen mit einer Buhlschaft, die …
Die was? Vielleicht sollt‘ ich auch einmal eine Rückführung versuchen.
Erzählst du mir Morgen deinen Traum?
Und du mir deinen?
Abgemacht. Aber jetzt lass uns schlafen.
Gut. (Gähnend) Ich glaub an die Wiedergeburt. Die Narbe vom Fritz in der Lenden- oder Leistengegend … wie ich die gesehen hab… ich hab sogar die Finger auf seine Narbe legen dürfen… Schläfst du schon?
Gerhard Grabner
Posted at 15:24h, 14 FebruarWitzige, alptraumhafte Dialoge. Gehören auf die Bühne. Das ganze Leben ist ein Aufarbeiten, sagt die M.
Ingrid
Posted at 18:06h, 28 JanuarAm Ende konnte ich endlich ausatmen…
LG Ingrid
bianca marija edinger
Posted at 08:24h, 27 JanuarAusgezeichnet!Toll!L.G.Marija-Bianca