10 fotografische Notizen


  1. Ein Hund raubt zwei miteinander spielenden Kindern den Fußball. Mit diesem im Maul tänzelt er wie ein Pferd im Schritt seitwärts und hat dabei die Buben im Blick. Die schauen ihm zuerst fassungslos zu. Als sie ihm seine Beute abjagen wollen, sprintet der Hund Hacken schlagend davon und lockt sie – immer wieder auf sie wartend – die enge Gasse eines Hügels hinauf, bis sie erschöpft aufgeben. Niedergeschlagen und nach Luft ringend sitzen sie am Wegrand, als plötzlich der Ball  an ihnen vorbeirollt.  Ganz oben, – am Ende der Gasse -, steht der herrenlose Hund, wartet, bis die Buben den Ball wieder in ihren Besitz genommen haben, und trottet davon.
  2. Ohne von einer Behörde beauftragt zu sein, steigt ein älterer Herr über eine kniehohe Mauer, um dort, wo der Fluss Treibgut an die Pfeiler der Brücke gespült hat, das Holz aufzusammeln. Er bündelt es und sucht einen Ort, wo die Fließgeschwindigkeit die größte Kraft hat, um es weiter an andere Ufer zu tragen.
  3. Es ist Sonntag. Großeltern haben ihr Enkel auf einen Spaziergang mitgenommen. Beide nehmen – müde geworden und einander gegenübersitzend – Platz auf dem von der ersten wirklich warmen Sonne aufgeheizten Gesims einer steinalten Brücke. Der Bub läuft zwischen den beiden hin und her, entfernt sich, kommt zurück; so, seine Großeltern auffordernd, den Spaziergang endlich fortzusetzen.
  4. Am späten Nachmittag und mit dem Untergehen der Sonne hat ein junges Liebespärchen eine Ecke gefunden, wo es versteckt hinter wilder und weiß blühender Gänsekresse Zärtlichkeiten austauscht.
  5. Ein alter Mann sitzt – umschart von Tauben – auf einer Bank. Mit geschlossenen Augen schaut er in die untergehende Sonne. Der Gehstock ruht zwischen seinen Füßen. Sein Knauf ist versilbert und zeigt einen brüllenden Löwen.
  6. On this side, sagt der Fahrer auf dem Weg zum Flughafen, is the Republik Srpska, and the houses on the other side of street is, where we Bosnians lived. Die fensterlosen Frontseiten der Häuser sind durchlöchert von Einschüssen. Manche sind überspachtelt. We will never forget, sagt er und deutet auf den Flughafen: It was here, where the siege of Sarajevo began. Nach dem Check-in muss ich die Schuhe ausziehen. Im Wartezimmer zeigt ohne comments ein übergroßer Screen Bilder von einem Jahrmarkt in Kabul mit Kindern auf einer Schaukel.
  7. Please proceed immedeately to gate 2, flötet eine honigsüße Stimme aus dem Lautsprecher. Papst auf Instagramm, bekomme ich gerade noch mit.
  8. Die Piste ist holprig. Das Propellerflugzeug, das mit dem Slogan 25 godina (years) um Vertrauen wirbt, hebt ab.
  9. Die Hände meines Sitznachbarn suchen Halt in dem Netz mit den Magazinen der Croatian Airlines. Er drückt eine Pille nach der anderen aus der Verpackung. Quer über dem Durchdrückstreifen des Blisters steht RELAX. Mein Sitzbachbar ist ein in Australien geborener Kroate, der in NY Geschichte studiert hat und seit drei Jahren für internationale Agenturen als Journalist arbeitend in Wien lebt.
  10. Zagreb: Trotz Transits noch einmal und wieder das gleiche Prozedere. Meine Tasche wird ausgeräumt und zwei Mal gescannt. Da der Detektor angeschlagen hat, muss ich mich einer Leibesvisitation unterziehen. Kroatien muss die Außengrenze des Schengenraumes schützen, erklärt ein Wiener seinem Freund, der die Maßnahmen übertrieben findet.

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