
12 Juli Anworten auf Fragen, die nicht gestellt wurden
Fragen, die mir nie gestellt wurden, ich aber trotzdem beantworten will und auch dich vielleicht zu Antworten herausfordern:
- Du wirst ohne Navi im Irgendwo an einem See ausgesetzt. Was machst Du zuerst?
Leider fehlen mir bei dieser Frage Hinweise darauf, unter welchen Bedingungen ich ausgesetzt bin. Habe ich ein Boot? Ist es ein Floß? Kann ich Segel setzen? Hatte ich Gelegenheit, Proviant an Bord zu nehmen? Falls es ein See und kein Meer ist, wie die Frage unterstellt, würde ich glauben, keiner großen Gefahr ausgesetzt zu sein, da ich – wenngleich aus großer Entfernung – immer ein Ufer in Sicht habe. Diese Zuversicht habe ich aus der Anschauung gewonnen, da ich am Bodensee aufgewachsen bin, der als der größte See Mitteleuropas gilt. Die Zuversicht wird mir aber nichts helfen, wenn ich schwimmen muss und ein Sturm aufzieht oder ich einen Krampf bekomme. Weiß nicht, ob ich mich mehr als eine Stunde über Wasser halten kann.
- Welche zwei Farben aus der gesamten Farbpalette würdest Du für Dich wählen?
Velourblau und Gelb, weil es mich an ein besticktes samtweiches Kissen erinnert, das den Nachthimmel mit den Sternen zeigte, als ich Kind war und mir meine Großmutter erklärte, dass, was wir als Sterne deuten, nichts als Löcher sind, die von einer Riesensonne hinter dem Nachthimmel bestrahlt werden.
- Du schreibst eine Postkarte an Dich. Was sollte nicht darauf stehen?
Falls ich je in Verlegenheit kommen sollte, eine Postkarte an mich zu adressieren, dann nur, um mich meiner selbst zu vergewissern. Falls sie aber nicht ankommen sollte, würde mich das zutiefst bestürzen. Natürlich dürfte ich nicht schreiben, dass ich Angst habe, dass es mich vielleicht gar nur in meiner Einbildung gibt. Das Ich aber – so will es die Quantenmechanik wissen – ist nur Illusion. Trotzdem ist diese Illusion hilfreich, da ich es mir als grauenhaft vorstelle, ohne Erinnerung und Geschichte ein Leben zu fristen, wie es die Menschen tun müssen, die von der Alzheimerkrankheit eingeholt worden sind.
- Welches Musikstück sollte Dich, Stand heute, einmal aus dem Leben begleiten?
Mein Vater hat sich Händel`s Messias zu seiner Beerdigung gewünscht. Ich kann es bis heute nicht mehr hören, weil es die Sturzbäche von Tränen auslösen würde, die ich damals nicht geweint habe. Da ich mich darin – auch in der Vorwegnahme meines Abschieds vom Leben – nicht üben und mir die Nocturnes von Chopin nicht vergällen will, werde ich eine Antwort auf diese Frage verweigern.
- Welcher Satz aus Deiner Kindheit, den andere gesprochen haben, ist Dir positiv in Erinnerung geblieben?
Es wird alles gut! Es ist ein Satz, der trösten will, obwohl es das, was wieder gutwerden soll, in die Zukunft verschiebt. Es geht vorbei, würde besser trösten, da ich mir mich 5 Jahre später vorstellen kann, einen Tag im Sommer zum Beispiel auf einer Wiese liegend unter einer schattenspendenden Linde, um mir in Erinnerung zu rufen, dass es mir damals kaum vorstellbar war, diesen Schmerz oder die Trauer über einen großen Verlust je wieder loszuwerden. Diesen Satz „Es geht vorbei!“ rufe ich mir in Erinnerung, wenn ich in schier ausweglose Situationen gerate.
- Wir alle tragen Bilder in uns. Welches ist Dein schönstes Bild, das Du immer wieder hervorholst, wenn Du Dich selbst motivieren möchtest?
Ich weiß nicht, warum, aber mir fällt im Augenblick kein anderes Bild als das von Daniel in der Löwengrube ein. Vielleicht, weil es einen Mann in Bedrängnis zeigt, der weniger auf Grund seines Glaubens, sondern wegen seiner Unerschrockenheit verschont bleibt.
- Bist Du Links- oder Rechtshänder und hat das Einfluss auf Dein Leben?
Ich bin das Kind einer Zeit, in welcher es noch eine große Rolle spielte, ob man Links- oder Rechtshändig war. Meiner Mutter, die linkshändig war, wurde von meinem Onkel ein Ausflug nach Lindau mit dem Schiff und dort der Einkauf von Bananen versprochen, wenn sie ihre Linkshändigkeit, die in der Schule als körperliche Behinderung gesehen wurde, aufgibt.
- Womit verbringst Du gefühlt die meiste Zeit in Deinem Leben, wenn Du nicht schläfst?
Eben habe ich gelesen, dass die Zeiten, in welchen wir Kinder waren und später solche, die wir nicht erinnern können, weil wir schlafen oder (tag)träumen oder ohne Selbstreflexion und Selbstwahrnehmung in beinahe halluzinatorischen Zuständen verbringen, mehr als die Hälfte unseres Lebens ausmachen.
- Nimmst Du Deine nächtlichen Träume mit in den Tag oder bleiben sie in der Nacht liegen?
Wenn es mir gelingt, versuche ich sie mit in den Tag zu nehmen, da das Träumen ja nichts anderes als erinnern ist. Was mich an Träumen fasziniert, ist, dass sie ein Sein möglich machen, das ohne Zeit auszukommen scheint. Auch, dass es das Ich auslöschen oder in viele Avatare aufspalten kann.
- Was bedeutet das Wort Schmuckstück für Dich?
Im herkömmlichen Sinn verstehe ich ein Schmuckstück als ein Medium der Kommunikation, mit dem man sich selbst für einen anderen schmückt. Wenn ich aber einen Schmuck trage, der für andere nicht sichtbar ist, ist er kein Medium der Kommunikation mehr. Meistens hat es mit dem Glauben zu tun, durch ein Amulett zB. geschützt zu sein. Ob ein Talisman ein Schmuckstück ist, hat sicher mit der handwerklichen Qualität zu tun, die es entstehen hat lassen.
So. Jetzt bist du dran, deine Zeit mit der Beantwortung solch sinnbefreiter Fragestellungen zu vergeuden. Vielleicht aber kannst du mir im Kommentar Fragen stellen, deren Beantwortung mich mehr herausfordert.
Views: 0
No Comments