08 Feb VAKOG in A Coruna/ Galicien
Um alle Sinneskanäle zu erreichen und damit das Erlebnis der Erinnerung möglichst lebendig wieder hervorzuholen, nutze ich auf Reisen das VAKOG-Modell. Die Großbuchstaben stehen für Visuell (Sehen), Auditiv (Hören), Kinästhetisch (Fühlen), Olfaktorisch (Riechen) und Gustatorisch (Schmecken). Ich stelle mir also vor, dass mich Kräfte, denen ich eine gute Absicht unterstelle, hier an diesen fremden Ort ausgesetzt haben. Meine Aufgabe ist es nun, so zu tun, als müsste ich aus den Informationen des VAKOG-Modells erraten, wo ich mich befinde; was sich immer als schwierig herausstellt, weil ich ja das Ziel der eben unternommenen Reise kenne. Wenn es mir gelingt, mich selbst zu überlisten und den Nichtsahnenden zu spielen, dem es erst jetzt auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt erlaubt ist, die „Pforten der Wahrnehmung“ zu öffnen, filtern meine Sinne das, was sie kennen, um sich von dem überraschen zu lassen, was für sie neu ist. Von Wien kommend ist es zum Beispiel sehr überraschend, wie entgegenkommend hier die Einheimischen auf Reisende reagieren, die rat- und orientierungslos in der Gegend stehen.
Bleiben wir bei VAKOG und halten fest: Ein bleierner Himmel öffnet in rhythmischen Intervallen seine Schleusen. Das dürfte nicht nur heute so sein, da Regenschirme hier zur Grundausstattung zu gehören scheinen. Ein alter Mann, der die Straße entlang schlürft, hatte ihn eben noch in seinem Rücken am Kragen seines Mantels hängen. Möwen kreischen. Der Wind peitscht uns den Regen ins Gesicht. Eine Tafel zeigt 8 Grad. Für uns sind es ebenso viel gefühlte Minus. Wie das die Palmen überleben? Noch immer oder schon wieder blühen Kamelien in Rot und Weiß. Februar dürfte der beste Zeitpunkt sein, um Hecken zu stutzen und in alle denkbaren Formen zu schneiden. Überall sind städtische Gärtner zugange, Auch bei den Platanen werden die Triebe gestutzt und die Zweige zu künstlichen Baldachinen geflochten. Moosbewachsen recken manche ihre 4 Fäuste gegen den Himmel.
Die Häuser haben Fassaden aus verglasten Veranden. Das muss ein Gefunkel sein, wenn sich die Sonne in ihnen spiegelt. In den Auslagen – vornehmlich Textilien und Schuhe – versuchen die Geschäfte mit saisonalen Rabatten bis zu 70% sich gegenseitig das Wasser abzugraben. VAKOG ist abgeschlossen: Mit der größten anzunehmenden Sicherheit kann ich davon ausgehen, dass wir in einer Hafenstadt am Atlantik sind. Am Golf von Biscaya, um genauer zu sein; im äußersten Nordwesten der iberischen Halbinsel. A Coruna heißt sie auf Galicisch, das nach dem Ende der Franco-Diktatur, – übrigens ein Sohn Galiciens – dem Kastilischen als Sprache des öffentlichen Lebens, der lokalen Verwaltung und des Unterrichts gleichgestellt wurde; eine Mischung aus Spanisch und Portugiesisch. Bis auf den Hafen, von dem aus früher die Engländer ihren Weg nach Santiago de Compostela einschlugen, heute aber von Kreuzfahrtschiffen aufgesucht wird, und dem ältesten, noch aus der Römerzeit stammenden Leuchtturm Europas -, sind es nur noch die vielen kleinen, lokalen Gastronomiebetriebe, die mit ihrem kulinarischem Angebot an Fisch- und Meeresfrüchten Einheimische wie Touristen anlocken. VegetarianerInnen kann die galicische Küche allerdings nur Salat anbieten, aus dem der Thunfisch noch entfernt werden muss. Wer auch nur einen Kaffee trinkt, bekommt von KellnerInnen immer wieder kleine Tapas serviert. Mit einem herrlich zubereiteten Tintenfischgericht will man mich mit dem Regen aussöhnen. Das aber gelingt nicht wirklich. 6 Tage Regen stehen uns bevor: Wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort.
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