11 Jul Rebell mit einem Grund
Nur so viel sei verraten: Was Samet erzählt, ist wohl vielen so ergangen. Es ist seine erste Erinnerung. Erinnerungen sind immer mit starken Emotionen verbunden. Was die Geschichte für mich u.a. so interessant macht, ist, dass die Akte der Rebellion des Kindes von den Eltern in keinem Zusammenhang mit dem auslösenden Ereignis gesehen wurden. Die Erinnerung ist nachhaltig: Wer will schon essen, was einmal einen Namen gehabt hat?
Samuel erzählt: Eine Kindheitserinnerung
Nachtrag: Eben habe ich einen berührenden Kommentar auf die Geschichte von einer engagierten Bloggerin lesen dürfen. Er verdient es nicht, in der Kommentarfunktion zu verkümmern. Deshalb werde ich ihn hier noch einmal auf die Seite stellen. Mich würde sehr freuen, wenn sich noch mehr einschalten, um hier ihre Geschichte zu erzählen:
Geschichte von San_Day:
Frankreich, Schüleraustausch auf dem Land. Heimelig war es, große Bol mit Milchkaffee am Morgen, 2 Kinder, die Eltern, die Großeltern und ein kleiner Hof mit wenigen Tieren. Es war mein erster Schüleraustausch. Wie alt ich war, ich weiß es nicht mehr sicher. 12 Jahre denke ich. Die Kinder führten mich herum, stellten mir alle Tiere mit Namen vor. Am Hasenstall, hoben sie mir lächelnd Lilou in den Arm. Eine kleine Hasendame mit schwarzen runden Fellringen um die Augen und langen schwarzen Ohren die sich vom weißen Fell absetzten. Jeden Tag sah ich nach ihr und schloss sie ins Herz. Die Tage vergingen, es wurde Ostern und man setze sich an den Tisch für ein Festmahl. Töpfe wurden aufgetragen und ich fragte nach, was es denn war, das da in der Soße schwamm.
„Lilou“, bekam ich vom Stimmenchor am Tisch mitgeteilt.
Da schwamm sie, zur Unkenntlichkeit zerkocht, ohne schwarz und weiß in der Tunke. Mir schwammen die Augen, Niemand hatte mir gesagt, dass die Tiere mit den wunderschönen Namen hier auf den Tisch kommen.
Ich legte das Besteck auf den Tisch und teilte mit, dass ich Lilou auf keinen Fall essen werde. Unverständnis stand im Raum, sie lachten mich aus, zogen mich auf und ich empfand es auf ein Mal nicht mehr heimelig. Dennoch mein Besteck blieb liegen und gegen alles Kopfschütteln blieb ich stur.
Auch wenn ich nun viele Jahre später viel besser verstehe, wie unterschiedlich die Sitten an den Tischen dieser Welt sein können.
Ich bin dankbar, dass ich damals so gehandelt habe.
Vielleicht hat es mich den Schock leichter verkraften lassen, mit dem Wissen ich habe meine Prinzipien in eben genau diesem Moment einmal nicht über den Haufen geworfen.
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Helmut Hostnig
Posted at 14:22h, 13 JuliLiebe San_Day. Herzlichen Dank für die berührende Geschichte, die mir zeigt, mit wie wenig Verständnis oft Erwachsene in allen Kulturkreisen mit der Empathie ihrer eigenen Kinder zur Natur umgehen. Jetzt eine Frage an dich: Könntest du mir diese Geschichte auch als Audiofile zukommen lassen? Ich würde sie gerne ins Netz stellen. Wer weiß? Vielleicht bekomme ich noch mehr solcher Geschichten, um einen größeren Beitrag daraus zu machen.
Noch einmal herzlichen Dank.
San-Day
Posted at 09:29h, 12 JuliDanke fürs erinnern ans Erinnern.
Daran erinnere ich mich:
Frankreich, Schüleraustausch auf dem Land. Heimelig war es, große Bol mit Milchkaffee am Morgen, 2 Kinder, die Eltern, die Großeltern und ein kleiner Hof mit wenigen Tieren. Es war mein erster Schüleraustausch. Wie alt ich war, ich weiß es nicht mehr sicher. 12 Jahre denke ich. Die Kinder führten mich herum, stellten mir alle Tiere mit Namen vor. Am Hasenstall, hoben sie mir lächelnd Lilou in den Arm. Eine kleine Hasendame mit schwarzen runden Fellringen um die Augen und langen schwarzen Ohren die sich vom weißen Fell absetzten. Jeden Tag sah ich nach ihr und schloss sie ins Herz. Die Tage vergingen, es wurde Ostern und man setze sich an den Tisch für ein Festmahl. Töpfe wurden aufgetragen und ich fragte nach, was es denn war, das da in der Soße schwamm.
“Lilou”, bekam ich vom Stimmenchor am Tisch mitgeteilt.
Da schwamm sie, zur Unkenntlichkeit zerkocht, ohne schwarz und weiß in der Tunke. Mir schwammen die Augen, Niemand hatte mir gesagt, dass die Tiere mit den wunderschönen Namen hier auf den Tisch kommen.
Ich legte das Besteck auf den Tisch und teilte mit, dass ich Lilou auf keinen Fall essen werde. Unverständnis stand im Raum, sie lachten mich aus, zogen mich auf und ich empfand es auf ein Mal nicht mehr heimelig. Dennoch mein Besteck blieb liegen und gegen alles Kopfschütteln blieb ich stur.
Auch wenn ich nun viele Jahre später viel besser verstehe, wie unterschiedlich die Sitten an den Tischen dieser Welt sein können.
Ich bin dankbar, dass ich damals so gehandelt habe.
Vielleicht hat es mich den Schock leichter verkraften lassen, mit dem Wissen ich habe meine Prinzipien in eben genau diesem Moment einmal nicht über den Haufen geworfen.