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20160116_200617Zhangjiajie - Changsha - Guilin - Yangshuo. Bus - Taxi - G-train - Bus - Taxi. Für eine halbe Stunde war der Himmel zu sehen, dann wieder Städte und Landschaften, die durch die Kohlendioxid-Emissionen nur als Schemen wahrzunehmen waren. Ankunft am Abend in Yangshuo im Regen, der alles noch trostloser erscheinen lässt, als es das feuchtkalte Klima und der Nebel ohnehin schon tun. Oft fragen wir uns, ob sich das längerfristig nicht auf das Gemüt schlagen muss, wenn man wochenlang den Himmel nicht mehr sieht; weder die Sonne, noch Sterne und Mond. Haben sich die Menschen hier damit abgefunden? Was müsste geschehen, um die Luftverschmutzung auf ein Niveau zu senken, das westlichen Standards entspricht? Wie viele Fabriken müssten zusperren, wie viele Kohlekraftwerke stillgelegt und wie viel Individualverkehr zugelassen oder verboten werden? Und vor allem: Kann sich das wachstumsverwöhnte und exportorientierte China das leisten? Weiß nicht, welche verbindlichen Regelungen für die Reduzierung der Kohlenstoff-Emissionen beim Klimagipfel in Paris vereinbart worden sind. Feststeht, dass das Land der Mitte für ein Viertel der Pollution weltweit verantwortlich ist. 20160117_150650Als würde ein gutmeinender Wettergott Erbarmen mit uns haben, wird es Morgen aufklaren und der geplante Li River Bamboo-Trip bei endlich blauem Himmel stattfinden. Yangshuo in der Provinz Guanxi ist mit 130 000 Einwohnern eine kleine Stadt, in der - sicher auch wegen des Tourismus - kaum etwas vom alten China zu entdecken ist.   Eine lange Wanderung in die Umgebung und wieder zurück macht uns ortskundig und zeigt uns die vielen Gesichter von China, in welchem uns das zeitgleiche Vorhandensein einer noch 20160117_15093520160119_11102520160119_114224immer archaisch anmutenden Welt und einer, die schon in der Zukunft angekommen zu sein scheint, so fasziniert. Der Himmel ist zwar wolkenverhangen, aber es regnet nicht und es ist nicht wirklich kalt. Die Unterkunft, -  ein Hostel am Rand der Stadt -, ruhig, sauber und billig. Auf dem Weg in die Stadt plötzlich Höllenlärm von auf der Straße abgefeuerten Knallkörpern. Ein Auto mit einem buntem, papierumflochtenem Drahtgestell auf dem Dach; dahinter in Dreierreihen Männer und Frauen, von denen die in der Mitte gelbliche Stoffüberwürfe tragen und immer wieder - von beiden Seiten gestützt -, hinknien, wieder aufstehen, wieder hinknien, bis ein überdimensional großer, schwarzlackierter, dickwandiger Sarg im bereitstehenden Auto Platz gefunden hat. Die Umhänge werden ausgezogen und die Trauergemeinde zerstreut sich. Ein vorausfahrendes Fahrzeug wirft gelbes Papier auf die Straße, das sofort von eine Brigade Straßenkehrer aufgesammelt und weggekehrt wird. Ein rätselhaftes Trauerzeremoniell.

20160114_112056Heute Sightseeing und Tonjagd im Dorf vor dem Eingang zum Geopark. Um die Reise nicht nur in Bildern zu dokumentieren, habe ich mein Aufnahmegerät mitgenommen, um das bereiste China auch akustisch zu portraitieren. Vielleicht lässt sich so das Fremdsein und das Fremde und Befremdliche in einer Collage, zu der nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch die Geräusche gehören, zu einem Kino für die Ohren machen. Akustisches Storytelling also einer Reise, das ohne Kommentar auskommen soll. Das jedenfalls ist das Vorhaben.

Bevor ich den nächsten Beitrag ins immer wieder zusammenbrechende Netz stelle, möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mein Blog lesen und uns virtuell auf unserer Chinareise begleiten. Leider kann ich auf die Kommentare nicht eingehen, da ich oft froh bin, wenn ich ein Zeitfenster mit stabilem Netz nutzen kann, um zu posten. Auf euer Verständnis hoffend, will ich heute von the flying mountains berichten, die das Ziel unserer Reise nach Zhangjiajie waren. 20160113_121114Auch wenn sich James Cameron für seinen Film "Avatar", der auf dem Planet Pandora spielt, angeblich nicht von dem spektakulären Geopark in der Nähe von Zanghjiajie inspirieren hat lassen, China wirbt sehr wohl damit und lockt jährlich bis zu 20 Millionen Besucher in diese fast mystisch und nicht von dieser Welt wirkende Kulisse, die aus rotem, eisen- und quarzhaltigem Sandstein zumindest für die dort ansäßigen Einheimischen nur von Göttern geschaffen worden sein kann. Der Naturpark, heute UNESCO geschütztes Weltkulturerbe, war Jahrtausende terra inkognita und nur von den Minderheiten der Tujia, Miao und Bai besiedelt. Das 257qkm große Areal mit seinen 20160113_123346_renamed_1382520160113_131044nationalpark (1) (25)subtropischen Wäldern, in denen noch der Leopard heimisch ist, gehört mit den über 243 Berggipfeln und 3000 himmelragenden Karstsäulen und -türmen sicher zu den sehenswertesten Landschaften Chinas. Leider hat sich der dichte Vorhang aus Nebel und Smog auch auf 1000 m nicht gelichtet, und jetzt hat es auch noch zu schneien begonnen; trotzdem bereuen wir es nicht, den weiten Weg von Changsha bis hier herauf nach Zhangjiajie unternommen zu haben. Die Ausblicke auf den kunstvoll mit Steinplatten ausgelegten Gehwegen und Plattformen auf die mit phantasievollen Namen getauften, aber sie nicht Lügen strafenden Steinformationen, die wie Pilze oder über die Maßen große Stalagtiten anmuten, sind atemberaubend schön.

  20160112_071215Heute das erste Mal Lehrgeld oder Deppensteuer bezahlt, obwohl es nicht wirklich unser Fehler war, sondern der der Frau an der Rezeption, die den Taxifahrer nicht instruiert hat, auf welchem Bahnhof unser Zug nach der Zungenbrecherstadt "Zhangjiajie losfährt. Noch vor 5 Uhr in der Früh jedenfalls waren wir auf einem menschenleeren Bahnhof. Der einzige Mann war ein Kautabak kauender Wachmann, der in einem möglicherweise auch für chinesische Ohren unverständlichen Kauderwelch auf uns einredete. Zu ihm gesellte sich ein junger Mann, der mit ihm die Nacht verbracht haben dürfte, um sich eine Unterkunft zu changsha_morning (1)ersparen. Dieser junge Mann war rührend um uns besorgt, aber vollkommen hilflos. Ununterbrochen textete er ins Englische übersetzte, aber vollkommen absurde Botschaften wie: here is no work oder there is nothing, die wir mit zunehmender Panik zur Kenntnis nahmen und kopfschüttelnd quittierten, was ihn aber nicht davon abbringen ließ, weiterhin auf sein Translatorprogramm zu vertrauen, bis wir schließlich beschlossen, nachdem wir niemanden fanden, der auch nur ein paar Wörter Englisch verstand oder begriff, welches Problem wir hatten, uns wieder ein Taxi zu suchen. Wir wussten nur zu gut, dass es keinen anderen Zug mehr geben würde, da alle schon bis auf diesen early morning train ausgebucht waren. Der junge Mann schien von unserer Panik angesteckt und in ehrlicher Sorge. Das ging so weit, dass er uns nicht mehr von der Seite wich, bis wir wieder ein Taxi fanden. In unserer Not fiel uns nichts Besseres ein, als Mike changsha_morning (1) (3)aus dem Schlaf zu reißen, der uns am Vortag angeboten hatte, uns trotz der frühen Stunde auf den Bahnhof zu begleiten. Nach etlichen Versuchen - der Taxichauffeur war in der Zwischenzeit in einen heftigen Disput mit dem jungen Mann verwickelt - erlöste uns Mike mit einem verschlafenen Hallo. Ich schilderte ihm kurz das Problem, übergab das Smartphone dem Taxichauffeur, worauf wieder ein langes Palaver folgte, in das sich auch der junge Mann einmischte. Endlich war es so weit, aber in Wirklichkeit zu spät, um noch rechtzeitig auf den Zug zu gelangen. Wir trafen Mike in einem MacDonald am richtigen Bahnhof. Mittlerweile war der Tag angebrochen, obwohl er wegen des Smogs von der Nacht kaum zu unterscheiden war. Ein spooky Szenario, das uns an den Film "the fifth element" erinnerte. Wochenlang den blauen Himmel nicht zu sehen und sich mit Masken gegen den Feinstaub schützen zu müssen, kann ich mir schwer vorstellen: - Kinder inhalieren das Gift von drei Schachteln Zigaretten täglich und der Husten ist chronisch -. Ein Höllenlärm von miteinander konkurrierenden Lautsprecherdurchsagen, Hupkonzerte von Zubringern, die sich einen Weg durch die Menschenmassen bahnten, und tausend Lichter von Werbeeinschaltungen, die sich im nassen Asphalt spiegelten. Obdachlose, die in den noch geschlossenen Eingängen der Geschäfte schliefen, was bei der Kälte uns ein Ding der Unmöglichkeit schien. Bettler. Ja, viele Bettler, die mir in Suzhou nicht so aufgefallen sind. Menschen, die der Turbokapitalismus wie überall, so auch im kommunistischen China aus der Gesellschaft gespült hat.

  trainstation (1)trainstation (2)trainstation       Mit dem High-speed-train von Suzhou nach Changsha. Einen Zug kann man nicht einfach besteigen, einen Sitzplatz suchen, falls man keinen reserviert hat; eine Zugfahrt kann von Ausländern auch nicht im Internet gebucht werden, da ein Ticket nur mit Pass erstanden werden kann. Auf dem Bahnhof geht es wie auf einem Flughafen zu. Nach etlichen Sicherheitskontrollen darf man eine Viertelstunde vor Anfahrt auf den Bahnsteig und begibt sich dort auf die im Fahrschein markierte Stelle. Der Zug kommt mit vormals deutscher Pünktlichkeit. Die Sitze sind für uns Langnasen ziemlich niedrig und lassen für die Füße wenig Spielraum. Der Zug erreicht Spitzengeschwindigkeiten von über 350km. Sicht aus dem Zugfenster keine. Kein Nebel, Smog, was hier euphemistisch mit "cloudy" umschrieben wird. Um 11:30 ist Lunch-time in ganz China. Da werden die mitgebrachten Nudeln ausgepackt und mit heißem Wasser übergossen. Die meisten sind mit ihren Smartphones beschäftigt, für die es einen Stromanschluss bei den Sitzplätzen gibt. Entweder ist es WeChat, die chinesische Variante von Facebook, mit dessen Hilfe nicht mit den Lippen, sondern mit den Fingern geplaudert wird oder es werden chinesische Soaps geschaut.

pan gate (13)pan gate (11)pan gate (10)Heute ist das erste Mal ein blauer Himmel zu sehen. Überall wird die Wäsche ausgehängt. Das macht die sonst so reißbrettmäßig angelegten , schlanken Wohntürme geradezu bunt. auch in den Straßen wird über alles, was sich gerade anbietet, Wäsche gehängt. auf einer Stange Fische zum Trocknen, daneben eine Hose und Socken. Suzhou hat mit Umland 10 Millionen Einwohner. Vom Campus in die Stadt und den zwei U-Bahnlinien sind wir mit Wartezeiten oft über eine Stunde unterwegs. In der U-Bahn geht es sehr zivilisiert zu.  Auffallend ist, dass niemand auf den Rolltreppen die Stehenden im Gehen überholen will. Eine Fahrt kostet 4 yuan. Das sind ungefähr 30 Cent. Von A nach B zu wollen, ohne Sprachwissen und Kenntnis der Schriftzeichen, ist und bleibt ein Abenteuer. Gestern haben wir eine geschlagene Stunde an einer Bushaltestelle zugebracht. Jedesmal, wenn ich den auswendig gelernten Satz na lu gonggong qichie kai wang Pan men (welcher pan gate (4)pan gate (35)pan gate (28)Bus fährt zum pan gate?) los geworden bin, dessen Aussprache ich mit einer Nativespeakerin am Vortag geübt hatte, bildete sich schnell eine Menschenmenge, die laut zu debattieren begann, bis sie glaubte, eine Lösung gefunden zu haben. Jedesmal aber, wenn ich bei den Chauffeuren mich vergewissern will, ob es auch der richtige Bus ist, schütteln sie den Kopf, und das Prozedere beginnt von vorne. Ist man auf der Straße, lauert Gefahr von allen Seiten, da die elektrisch betriebenen Mopeds lautlos sowohl auf dem Gehsteig als auch gegen die Einbahn verkehren.