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Alberner Hafen. Wie kann ein Hafen albern sein? Da es ein Hauptwort ist, muss es einen anderen Ursprung haben. Natürlich: Der Name leitet sich von der Albe-Pappel, der Silber-Pappel, ab, die in dieser Gegend wuchs.  Alberner Hafen hat schon auf Grund der drei gigantischen Getreidespeicher, den eigentlichen Wahrzeichen Simmerings - schon von Weitem sichtbar und für Abrissbirnen wohl eine kaum zu bewältigende Herausforderung -,  etwas Museales wie alle stillgelegten Anlagen eines anderen Jahrhunderts, in welchem trotz Monumentalität Zweckmäßigkeit und Ästhetik noch kein Widerspruch waren.  Grasüberwachsene Schienen, die im ufersäumenden Auwald ihr jähes Ende finden, Klatschmohn, der sich in den Asphaltritzen Bahn bricht, der von den Wänden abbröckelnde Putz, das wettergegerbte Holz, die großflächigen Spinnennetze, die verwaschenen Farben: Alles kündet hier von Vergänglichkeit und könnte im Dämmerlicht als Kulisse oder Location, wie man heute im Neusprech sagen würde, für Genrefilme dienen, in welchen Angstlust oder Lustangst auf ihre Rechnung kommt. Ein anderer Film aber, eher dem Historischen und einer Wahrheit verpflichtet, die in Österreich gerne verdrängt wird, würde das Fischerdorf Albern nach dem Anschluss zeigen, in welchem tausende Zwangsarbeiter im Rahmen der 1934 ausgerufenen "Erzeugungsschlacht" und wirtschafltichen Mobilmachung nicht nur den Hafen ausbauen, sondern entlang der Donau turmhohe Silobauten aufziehen, um die "Ernährung aus eigener Scholle" bei gleichzeitiger "Erweiterung des deutschen Lebensraumes" zu ermöglichen.  Er würde zeigen, wie zuerst auf den Raddampfern der DDSG - beliebtes Beispiel für die beliebig erweiterbaren substantivischen Zusammensetzungen im Deutschunterricht - die Besserabien-Deutschen oder Donauschwaben in die Auffangslager transportiert und "heim geholt" wurden, um später - übrigens in Absprache mit der Sowjetunion - neueroberte Grenzgebiete in Polen zu besiedeln, und wenige Jahre später auf selbigen Raddampfern tausende Flüchtlinge, die sich über die Wasserstraße ins Schwarze Meer und von dort nach Palästina retten wollten. Die blaue, nein die braune Donau als Transportweg nationalsozialistischer Biopolitik, wie ein Artikel von Ortrun Veichtlbauer in "Graue Donau, Schwarzes Meer" titelt. (Übrigens ein sehr lesenswertes Buch) Genug Geschichte oder doch nicht?

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=ujVxbUQwyUg&hl=de_DE&fs=1&border=1] Wieder in Wien wurde ich darüber informiert, dass  der Verein "Purple Sheep" Aktivisten sucht, die bereit sind, die Asylwerber bei ihrem Gang zur Polizeiinspektion im 2.Wiener Gemeindebezirk durch ihre Anwesenheit zu unterstützen. Es war das zweite Mal, dass Karin Klaric vom Verein zur Förderung und Einhaltung der Rechte von AsylwerberInnen und Fremden die bei Ute Bock hauptamtlich gemeldeten obdachlosen Asylwerber fremden- und asylrechtlich berät und sie auf die PI in Leopoldstadt begleitet. Interview zur Hintergrundinformation [youtube=http://www.youtube.com/watch?v=cRQ8Kx_sLW0&hl=de_DE&fs=1&border=1] Wie auch im Standard nachzulesen (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 1.6.2010): Seit Jänner nämlich müssen obdachlose Asylwerber über eine Registrierung hinaus alle zwei Wochen bei der Polizei vorsprechen. Auch ihre behördliche Post müssen sie mittlerweile bei der Polizei abholen. Leicht nachvollziehbar, dass Asylwerber - und das betrifft nicht nur die 1500 beim Flüchtlingsverein von Ute Bock Angemeldeten aus Angst abgeschoben zu werden, diesem Ansinnen nur in Begleitung einer Rechtsberaterin Folge leisten wollen.

Heute war ich mit meiner Mutter im Silbertal.  Das hat seinen Namen, weil hier vor über tausend Jahren Bergleute Kupfer, Eisen und Silber abgebaut und verhüttet haben. Es liegt weit hinten im langgestreckten Tal des Montafon. Vom sonnenseitig gelegenen Kristberg aus, der auch über eine Seilbahn erreichbar ist, sieht man  die noch immer vom Schnee gekrönte  Verwallgruppe, den Rätikon und die Silvretta. Auf dem Weg ins Silbertal, das schon vor 5000 Jahren besiedelt wurde, wie archäologische Funde beweisen,  liest meine Mutter die rätoromanischen  Orts- und Bergnamen wie vertraute Runen. "Der Montjola: Da war ich als Kind mit meinem Vater."  Tschagguns, Vandanz, Gallehr, Schruns: Jeden Ort verknüpft sie mit Erinnerungen an ihre Kindheit. Auch ich müsste mich eigentlich erinnern können, da ich - wie das Foto zeigt - 10 Jahre alt war, als uns 1958 mein Vater mit seinem Topolino (Mäuschen), der ein Faltdach und gelb leuchtende, ausschwenkbare Blinker hatte, auf die Silvrettahochalpenstraße mitnahm. Meine Mutter jedenfalls weiß noch, dass sie ein blaues Seidenkleid trug und damit viel zu leicht gekleidet war für dieses Unternehmen: "Er hat mir nicht gesagt, wohin wir fahren."  "Typisch Vater", denke ich. Wie wir aber in das Auto gepasst haben, bleibt mir ein Rätsel: 4 Kinder, 2 Erwachsene.