Heute war ich mit meiner Mutter im Silbertal. Das hat seinen Namen, weil hier vor über tausend Jahren Bergleute Kupfer, Eisen und Silber abgebaut und verhüttet haben. Es liegt weit hinten im langgestreckten Tal des
Montafon. Vom sonnenseitig gelegenen Kristberg aus, der auch über eine Seilbahn erreichbar ist, sieht man die noch immer vom Schnee gekrönte Verwallgruppe, den Rätikon und die Silvretta. Auf dem Weg ins Silbertal, das schon vor 5000 Jahren besiedelt wurde, wie archäologische Funde beweisen, liest meine Mutter die rätoromanischen Orts- und Bergnamen wie vertraute Runen. "Der Montjola: Da war ich als Kind mit meinem Vater." Tschagguns, Vandanz, Gallehr, Schruns: Jeden Ort verknüpft sie mit Erinnerungen an ihre Kindheit.
Auch ich müsste mich eigentlich erinnern können, da ich - wie das Foto zeigt - 10 Jahre alt war, als uns 1958 mein Vater mit seinem
Topolino (Mäuschen), der ein Faltdach und gelb leuchtende, ausschwenkbare Blinker hatte, auf die Silvrettahochalpenstraße mitnahm. Meine Mutter jedenfalls weiß noch, dass sie ein blaues Seidenkleid trug und damit viel zu leicht gekleidet war für dieses Unternehmen: "Er hat mir nicht gesagt, wohin wir fahren." "Typisch Vater", denke ich. Wie wir aber in das Auto gepasst haben, bleibt mir ein Rätsel: 4 Kinder, 2 Erwachsene.