Heute das erste Mal Lehrgeld oder Deppensteuer bezahlt, obwohl es nicht wirklich unser Fehler war, sondern der der Frau an der Rezeption, die den Taxifahrer nicht instruiert hat, auf welchem Bahnhof unser Zug nach der Zungenbrecherstadt "Zhangjiajie losfährt. Noch vor 5 Uhr in der Früh jedenfalls waren wir auf einem menschenleeren Bahnhof. Der einzige Mann war ein Kautabak kauender Wachmann, der in einem möglicherweise auch für chinesische Ohren unverständlichen Kauderwelch auf uns einredete. Zu ihm gesellte sich ein junger Mann, der mit ihm die Nacht verbracht haben dürfte, um sich eine Unterkunft zu
ersparen. Dieser junge Mann war rührend um uns besorgt, aber vollkommen hilflos. Ununterbrochen textete er ins Englische übersetzte, aber vollkommen absurde Botschaften wie: here is no work oder there is nothing, die wir mit zunehmender Panik zur Kenntnis nahmen und kopfschüttelnd quittierten, was ihn aber nicht davon abbringen ließ, weiterhin auf sein Translatorprogramm zu vertrauen, bis wir schließlich beschlossen, nachdem wir niemanden fanden, der auch nur ein paar Wörter Englisch verstand oder begriff, welches Problem wir hatten, uns wieder ein Taxi zu suchen. Wir wussten nur zu gut, dass es keinen anderen Zug mehr geben würde, da alle schon bis auf diesen early morning train ausgebucht waren. Der junge Mann schien von unserer Panik angesteckt und in ehrlicher Sorge. Das ging so weit, dass er uns nicht mehr von der Seite wich, bis wir wieder ein Taxi fanden. In unserer Not fiel uns nichts Besseres ein, als Mike
aus dem Schlaf zu reißen, der uns am Vortag angeboten hatte, uns trotz der frühen Stunde auf den Bahnhof zu begleiten. Nach etlichen Versuchen - der Taxichauffeur war in der Zwischenzeit in einen heftigen Disput mit dem jungen Mann verwickelt - erlöste uns Mike mit einem verschlafenen Hallo. Ich schilderte ihm kurz das Problem, übergab das Smartphone dem Taxichauffeur, worauf wieder ein langes Palaver folgte, in das sich auch der junge Mann einmischte. Endlich war es so weit, aber in Wirklichkeit zu spät, um noch rechtzeitig auf den Zug zu gelangen. Wir trafen Mike in einem MacDonald am richtigen Bahnhof. Mittlerweile war der Tag angebrochen, obwohl er wegen des Smogs von der Nacht kaum zu unterscheiden war. Ein spooky Szenario, das uns an den Film "the fifth element" erinnerte. Wochenlang den blauen Himmel nicht zu sehen und sich mit Masken gegen den Feinstaub schützen zu müssen, kann ich mir schwer vorstellen: - Kinder inhalieren das Gift von drei Schachteln Zigaretten täglich und der Husten ist chronisch -. Ein Höllenlärm von miteinander konkurrierenden Lautsprecherdurchsagen, Hupkonzerte von Zubringern, die sich einen Weg durch die Menschenmassen bahnten, und tausend Lichter von Werbeeinschaltungen, die sich im nassen Asphalt spiegelten. Obdachlose, die in den noch geschlossenen Eingängen der Geschäfte schliefen, was bei der Kälte uns ein Ding der Unmöglichkeit schien. Bettler. Ja, viele Bettler, die mir in Suzhou nicht so aufgefallen sind. Menschen, die der Turbokapitalismus wie überall, so auch im kommunistischen China aus der Gesellschaft gespült hat.