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  trainstation (1)trainstation (2)trainstation       Mit dem High-speed-train von Suzhou nach Changsha. Einen Zug kann man nicht einfach besteigen, einen Sitzplatz suchen, falls man keinen reserviert hat; eine Zugfahrt kann von Ausländern auch nicht im Internet gebucht werden, da ein Ticket nur mit Pass erstanden werden kann. Auf dem Bahnhof geht es wie auf einem Flughafen zu. Nach etlichen Sicherheitskontrollen darf man eine Viertelstunde vor Anfahrt auf den Bahnsteig und begibt sich dort auf die im Fahrschein markierte Stelle. Der Zug kommt mit vormals deutscher Pünktlichkeit. Die Sitze sind für uns Langnasen ziemlich niedrig und lassen für die Füße wenig Spielraum. Der Zug erreicht Spitzengeschwindigkeiten von über 350km. Sicht aus dem Zugfenster keine. Kein Nebel, Smog, was hier euphemistisch mit "cloudy" umschrieben wird. Um 11:30 ist Lunch-time in ganz China. Da werden die mitgebrachten Nudeln ausgepackt und mit heißem Wasser übergossen. Die meisten sind mit ihren Smartphones beschäftigt, für die es einen Stromanschluss bei den Sitzplätzen gibt. Entweder ist es WeChat, die chinesische Variante von Facebook, mit dessen Hilfe nicht mit den Lippen, sondern mit den Fingern geplaudert wird oder es werden chinesische Soaps geschaut.

pan gate (13)pan gate (11)pan gate (10)Heute ist das erste Mal ein blauer Himmel zu sehen. Überall wird die Wäsche ausgehängt. Das macht die sonst so reißbrettmäßig angelegten , schlanken Wohntürme geradezu bunt. auch in den Straßen wird über alles, was sich gerade anbietet, Wäsche gehängt. auf einer Stange Fische zum Trocknen, daneben eine Hose und Socken. Suzhou hat mit Umland 10 Millionen Einwohner. Vom Campus in die Stadt und den zwei U-Bahnlinien sind wir mit Wartezeiten oft über eine Stunde unterwegs. In der U-Bahn geht es sehr zivilisiert zu.  Auffallend ist, dass niemand auf den Rolltreppen die Stehenden im Gehen überholen will. Eine Fahrt kostet 4 yuan. Das sind ungefähr 30 Cent. Von A nach B zu wollen, ohne Sprachwissen und Kenntnis der Schriftzeichen, ist und bleibt ein Abenteuer. Gestern haben wir eine geschlagene Stunde an einer Bushaltestelle zugebracht. Jedesmal, wenn ich den auswendig gelernten Satz na lu gonggong qichie kai wang Pan men (welcher pan gate (4)pan gate (35)pan gate (28)Bus fährt zum pan gate?) los geworden bin, dessen Aussprache ich mit einer Nativespeakerin am Vortag geübt hatte, bildete sich schnell eine Menschenmenge, die laut zu debattieren begann, bis sie glaubte, eine Lösung gefunden zu haben. Jedesmal aber, wenn ich bei den Chauffeuren mich vergewissern will, ob es auch der richtige Bus ist, schütteln sie den Kopf, und das Prozedere beginnt von vorne. Ist man auf der Straße, lauert Gefahr von allen Seiten, da die elektrisch betriebenen Mopeds lautlos sowohl auf dem Gehsteig als auch gegen die Einbahn verkehren.

[gallery ids="9832,9833,9836,9837,9839,9844,9846,9847,9849,9851,9855,9854"] Heute fand zum Abschluss der einmonatigen Workshops von Susanne Hammer (Schmuckkunst) und Barbara Reisinger (Keramik) die offizielle Eröffnung der Ausstellung mit Honoratioren (Professoren und Direktoren) des Art & Design Technology Institutes  of Suzhou statt. Nach kurzen Ansprachen und gehaltenen Reden durften beim anschließenden Fotoshooting die Hassbänder (husbands of the artists) nicht fehlen. In Englisch mit einer Dolmetscherin die Vorhaben mit den ausschließlich chinesisch sprechenden Studentinnen in den Workshops zu kommunizieren, war eine ziemliche Herausforderung, die aber - wenn man sich die Resultate anschaut - mit Bravour gemeistert wurde. Aber lassen wir Susanne Hammer selbst zu Wort kommen:

Fotoalben Mama1Heute sah ich ein kleines Kind. Da es noch nicht aufrecht sitzen konnte, verharrte es reglos in einer Position zwischen Sitzen und Liegen - eingekeilt zwischen seinem älteren Bruder und seiner Mutter, denen ich in einer U-Bahn gegenüber saß. Es schaute mich an, wie es nur ein Kind kann, weil seine Augen noch neugierig und hemmungslos staunen dürfen, ohne sich dafür schämen zu müssen. Es schaute mich an oder durch mich hindurch, ohne seinen Blick zu senken; nicht verstohlen aus den Augenwinkeln in der Hoffnung, dass sein Interesse an seinem zufälligen Gegenüber nicht entdeckt würde,  wie es wir Erwachsene tun; es schaute mich unentwegt an, ohne auch nur einmal für die Zeit zwischen zwei Stationen seine Augen auch nur für Sekundenbruchteile zu schließen. Je länger ich in diese Augen schaute, denn es schien auch mir kein Sehen möglich, da es ein Erkennen und den durch Erfahrungen gewonnenen Versuch voraussetzt, das Gesehene einzuordnen, je länger ich in diese Augen schaute, die durch nichts abgelenkt, mich ohne Absicht anstarrten oder durch mich hindurch schauten, umso mehr verlor ich mich. Dazu kam, dass weder mein Lächeln, das mit zunehmendem Alter der Anblick eines Kindes mir in das Gesicht zaubert, ein Lächeln, das auch um den Mund der Frau spielte, die neben mir Platz genommen hatte, wie ich mit einem flüchtigen Seitenblick feststellen konnte, - dass also weder mein Lächeln noch mein Grimassenschneiden, um seine Aufmerksamkeit nicht erlahmen zu lassen, irgendeine Regung, ein als Kommunikation deutbares Mienenspiel im Gesicht des Kindes hervorrief, was mich zutiefst irritierte, bis ich zu dem vorläufigen Schluss kam, dass diese Kommunikation weder eines Lächelns und noch weniger des Grimassenschneidens bedurfte, weil sie ausschließlich über die Augen stattfand. Nichts, aber auch schon gar nichts erschloss mir, was es sah, als es mich anschaute, während der neonhell erleuchtete Zug mit seinen Passagieren in einer Nacht im Dezember durch das ihm gebohrte Tunnel raste, die Mutter auf dem Touchscreen ihres Smartphones mit violett lackierten Fingernägeln tippte und wischte, und sein Bruder gelangweilt durch ein Fenster schaute, das keinen Blick nach draußen zuließ, sondern lediglich sein Gesicht spiegelte, das er selbst aber nicht wahrzunehmen schien.