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Texte
by Helmut Hostnig
18 Stunden sind vergangen seit der Fruchtblasensprung erfolgt ist, der Arzt ihr ohne Narkose die Nähte entfernte, die den Muttermund verschlossen hielten, und jetzt zwei Monate zu früh die Wehen begannen, welche den Geburtsvorgang einleiten. Er denkt an die vielen Komplikationen und ist froh, dass es nun soweit ist.
Wie schnell ihr Herz schlägt. Wie ein Tamburin, das zum Finale trommelt. Wie ein Zug, der durch die Nacht rast. Den nichts mehr und kein Signal aufhalten kann, sich mit dem Stakkato des Toctoc seinem Ziel immer näher weiß. Sie sucht seine Hände. Ihre Nägel schlagen sich in sein Fleisch und er spürt es nicht. Ihr Atem fliegt. In ihren Augen steht Angst: Hilf mir!, flehen sie. Mach, dass es vorbei ist. Schnell. Sein Gleichmut versetzt ihn in Staunen über sich selbst. Er raunt alte Beschwörungsformeln: Es wird alles gut gehen. Glaub mir! Gleich hast du es überstanden.
Der Muttermund ist verstrichen. Die Wehe hat nachgelassen. Die Hebamme schließt sie an die Geräte an, schnallt ihr einen Gürtel über den Bauch, auf dem die Schallköpfe für die externe Überwachung angebracht sind. Erbarmungslos tickt der Wehenschreiber. Die Herztöne hämmern wie in dark side of the moon., verebben, schwellen an. Pam – pampam: Eine Mischung aus Walzer und Ragtime. Ein exotischer Rhythmus. Kassiber. Alles nimmt er wahr. Mit übergenauer Deutlichkeit: Die knallhelle Lampe über dem Kreißbett, die mit einem Heftpflaster befestigte Injektionsnadel, die zerstochene Handbeuge, den Schlauch, der von der Nadel zum Wehen fördernden Dauertropf führt, die kalten, gekachelten Wände, die Wanduhr, deren Zeiger gegen Mitternacht vorrücken.
Der lichtgrüne Mantel, in den er gesteckt wurde, hebt sein Selbstvertrauen und zaubert ein müdes Lächeln in ihr Gesicht. In wenigen Augenblicken werde ich Vater, denkt er. Jetzt gibt es kein Entrinnen mehr. Ich könnte fliehen, aber nichts ist weiter als die Ferne zwischen Jetzt und Jetzt. Dazwischen kann ich mich nicht verstecken. Jetzt ist es soweit. Jetzt muss ich mich stellen. Jetzt trennen uns nur noch wenige Augenblicke davon Eltern zu werden. Er ist nicht ruhig. Er tut nur so.
Die Wehen haben sich wieder beruhigt, sind fast ganz zum Stillstand gekommen. Eine Traubenzuckerinfusion soll sie wieder zu Kräften bringen.
Allerheiligen. Dein Geburtstag. Ich blättere in den Tageszeitungen, lese die Schlagzeilen. Ich will sie dir aufheben. Vielleicht wird es dich einmal interessieren. Vielleicht wirst du gerne einmal wissen wollen, was in der Welt los war, genau an dem Tag, als du auf die Welt gekommen bist. Was die Gemüter erhitzte, unter welchem Stern du geboren wurdest. Apropos Sterne. Mein Horoskop meint, dass ich mich nun mit gewissen Tatsachen abfinden müsse, das der Mutter verspricht eine Überraschung, die sie heute ganz besonders froh machen würde. Außerdem hätte sich etwas ergeben, von dem sie nicht zu träumen gewagt hätte. Was das wohl sein könnte? Und du? Du wirst im Skorpion geboren. Frau Helga rät dir, liebenswürdig zu bleiben, auch wenn dir heute etwas auf die Nerven geht. Hast du gehört, Hannah, meine Tochter? Ja, dein Name steht auch schon fest. Jetzt aber muss es bald so weit sein. Jetzt wird es ernst.