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Texte
by Helmut Hostnig
Es war zur Zeit der Zwetschkenwacht, als wir geheiratet haben. Ja, schreib es ruhig auf, aber es ist keine lustige, keine schöne, aber eine wahre Geschichte. Du weißt nicht, was eine Zwetschkenwacht ist? Hätt‘ ich mir denken können. Warst ja noch nicht auf der Welt und hast den Krieg nicht miterlebt, sonst würdest du mit Lebensmitteln ganz anders umgehen. Hast mir schon wieder meinen Kühlschrank ausg‘räumt. Ich schau nicht aufs Ablaufdatum. Entweder es ist noch gut, oder es riecht schon. Oder man sieht es. Meine Augen sind noch gut, und riechen oder schmecken, ob etwas faul oder nicht mehr zum Essen ist, das kann ich noch. Nur hören tu ich halt schlecht. In meinem Alter muss ich nicht mehr alles mitkriegen. Ist doch so, oder? Wo waren wir stehen geblieben? Bei der Zwetschkenwacht. Richtig. Damals haben sich die Leute viel von dem ernährt, was ihr kleiner Garten hergegeben hat. Und wer keinen Garten gehabt hat, der hat’s eben kaufen oder stehlen müssen. Die Leute waren ja arm, viele ausgebombt, hatten nichts mehr. Weil es keine Zigaretten gegeben hat oder sie zu teuer waren, - man hat sie damals ja sogar einzeln kaufen können – hat man sich aus weggeworfenen Stummeln selber welche zusammengedreht, oder man hat - wie mein Vater – Tabak angebaut im Garten, und wenn’s zur Ernte gekommen ist, hat er die Tabakblätter auf die Wäscheleine zum Trocknen aufgehängt. Das hat meiner Mutter gar nicht gefallen. Das kannst du mir glauben. Außerdem hat der Tabak fürchterlich gestunken. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen, sagt man doch so, oder? Aber ich wollte ja ganz was anderes erzählen. Was war das schnell? Ach ja, die Zwetschkenwacht.