Hier mein zweiter Bericht aus
Sarajewo: lost in transition!
Schon die Ankunft war abenteuerlich. Wegen Bodennebels konnte das Flugzeug der Austrian Airlines in Sarajewo nicht landen und musste nach Dubrovnik umgeleitet werden. Bis auf die wenigen Ausländer an Bord schien das die Einheimischen nicht sonderlich aufzuregen. Es würden Busse zur Verfügung gestellt werden, die uns auf dem Landweg nach Sarajewo bringen. Wer zurück nach Wien wolle, könne im Transferraum bleiben, bis das Flugzeug wieder startbereit sei. In sechs Stunden, wenn nichts dazwischen käme, würden wir dann in Sarajewo sein. Aber es kam viel dazwischen. Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Nicht nur das: Ich kam mit vielen Einheimischen ins Gespräch und konnte so mein spärliches Wissen um die aktuellen Ereignisse seit meinem letzten Besuch im März auffrischen. So hat alles auch sein Gutes.
Eine geschlagene Stunde mussten alle Passagiere auf die Busse warten. Dann waren drei Grenzen zu überwinden. Bosnien Herzegowina hat einen 20 km breiten Korridor an der Adriaküste, der zu Ein- und Ausreise zwingt, da von
Neum aus die Straße nach Mostar für Überlandbusse eine Zumutung ist. Das soll sich bald ändern, da Kroatien eine Brücke zur Umgehung dieses Korridors plant. Nicht unbedingt zur Freude der in der kleinen Küstenstadt Neum angesiedelten Menschen, da es die Touristenströme über Kroatien umleitet. Bei der neuerlichen Einreise nach Bosnien kann eine Passagierin ihren Pass nicht mehr finden. Das nahm wieder eine Stunde in Anspruch. So kam ich um etwa Mitternacht auf dem Gelände des Flughafens in Sarajevo an, wo alle anderen von Familienmitgliedern oder Taxis abgeholt wurden. Mein Dilemma war, dass ich kein Geld bei mir hatte, da ich davon ausging, es nach der Landung über ATM von meiner Karte abzubuchen. Das Handy tot. Low Battery. Also begann ich mich – den schweren Rucksack schulternd – auf den Weg in die Stadt zu machen. Wenn ich nicht unterwegs schlapp machte, würde es wohl drei Uhr morgens sein, wenn ich im Hotel ankäme. One and a half, maybe two hours müsse ich veranschlagen, meinte ein Mann mitleidvoll beim Einsteigen in ein übervolles Taxi. Viele hier sprechen Englisch, aber auch Deutsch, wie ich schon einmal feststellen durfte. Aber wieder hatte ich Glück. Ich war kaum eine Viertelstunde unterwegs, hielt ein Auto. Eine Frau, die aus Brüssel kommend von ihrem Sohn abgeholt worden war, nahm mich mit, verständigte das Hotel über meine verspätete Ankunft und ich war mit elfstündiger Verspätung am Ziel. Wie sich im Gespräch herausstellte, war sie eine Nachfahrin der
Ahskenasim, die 1492 auf dem Höhepunkt der
spanischen Inquisition von der damals ottomanischen Provinz in Bosnien aufgenommen worden sind und bis 1941 beinahe 20% der Bevölkerung in Sarajevo ausmachten. Nach dem Holocoust und dem von den
bosnischen Serben geführten Krieg 1992 bis 1995 sind die meisten nach Israel ausgewandert und nicht mehr zurück gekommen.