Auf Schusters Rappen – noch immer die Königsdisziplin der Fortbewegung – auf dem Jakobsweg von Strengen in Tirol über den Arlberg nach Feldkirch. Das Gehen entschleunigt und schärft die Sinne. Man sieht, was mit Hilfsmitteln der Fortbewegung nicht wahrgenommen wird, man trifft auf Einheimische, die Wanderern mit einer Mischung aus Mitleid und Respekt begegnen, wird von ansässigen Bauern zu einem Schnäpschen eingeladen und hört überall Geschichten von lokalen Begebenheiten, ausjudizierten Streitigkeiten um Grund und Boden oder wütende Stimmen über die Versiegelung des Alpenraums, wo wie in St.Christoph Architekt Klotz die Natur verschandelt. VermieterInnen von kleinen Pensionen klären dich darüber auf, wann die letzten Raten für das Haus getilgt sein werden, wer wen warum geheiratet hat, aber auch, was es mit dem Seelenzoll auf sich hat: Eine Hinweistafel zwischen Flirsch und Schnann, die wir zuerst für ein Ortsschild hielten, obwohl weit und breit kein Haus und noch viel weniger eine Ansammlung von Häusern in Sicht war. Ein Hinweis auf eine Geschichte, für die es zwei Versionen gibt, wie sich später herausstellen sollte. Es prägen sich Namen von Ortschaften und Tälern ein, die man nur auf guten Wanderkarten mit einem Maßstab 1: 50 000 und auch auf diesen nur mit einer Lupe findet. Fremdartig klingende Namen: Namen wie Grins, Verill, Gatschief, Gavril, Nüziders, Bings, Braz und Dalaas, alle rätoromanischen Ursprungs: ein sprachlicher Mix aus aus illyrischen, keltischen und vorwiegend romanischen Ausdrücken. Braz z.B kommt vom lateinischen prates (Wiese) und Dalaas bedeutet Tal aus oder Tal ussi. Aber zurück zur interessanten Geschichte des Seelenzolls, von der es – wie schon erwähnt - zwei Varianten gibt. „Das war eine Wegscheide in der Zeit, in welcher die Pest dort gewütet hat“, erklärt uns ein hochgewachsener Mann undefinierbaren Alters mit wässrig blauen Augen in gewählter Sprache. Er hütet einen Schranken dort, wo es hinaufgeht zur Kapelle von Stiegengg. „Noch heute finden dort Bittgänge statt“, erzählt er. „Wer Flirsch verlassen und ins benachbarte Schnann wollte damals, von dem wurde Seelenzoll eingehoben.“ Was immer das zu bedeuten hatte. Er weiß auch, warum wir den stundenlangen Weg entlang der Rosanna, . einem bis zu seiner Regulierung von Kajakfahrern wegen seines Gefälles geschätzten Wildwassers -, ohne einen schattenspendenden Baum haben gehen müssen. Im Zuge der Wildwasserverbauung nach dem verheerenden Hochwasser von 2005 habe die Lawinen- und Hochwasserschutzbehörde sämtliche, das Flussbett säumende Lärchen und Fichten von Jetzt auf Nachher fällen lassen. Er hätte sich beschweren wollen und sei dann nach etlichen Telefonaten an eine Dame verwiesen worden, die er als Möchtegernökologietussi bezeichnete, weil sie das Fällen der Bäume damit begründet hätte, dass sie artfremd gewesen seien.
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Aber zurück zu der Geschichte vom Seelenzoll, die nicht im finsteren Mittelalter, sondern in der noch finsteren Zeit des Nationalsozialismus spielt. Sie heißt „Der Schatz vom Seelenzoll“ und wurde von Stefan Hellbert zu einer Tragikkomödie dramaturgisch verdichtet und vor Ort aufgeführt.